Eine Zeit, in der Grönland eisfrei war

Das Zentrum Grönlands ist heute von einem drei Kilometer dicken Eisschild bedeckt – doch Fossilien zeigen:  Das war nicht immer so.

Anne-Dorette Ziems

Eine felsige Landschaft mit wenig Pflanzen im Vordergrund und ein schneebedeckter Berg im Hintergrund.

Joshua Brown, CC BY-SA

Auf einer kilometerdicken Eisschicht wachsen keine Blumen – so simpel klingt der Ansatz einer Forschungsgruppe für eine neue Studie. Wie das Team im Fachmagazin „Proceedings of the National Academy of Sciences” berichtet, weisen pflanzliche und tierische Fossilien in grönländischen Bodenproben darauf hin, dass der heutige Eisschild im Zentrum Grönlands in der Vergangenheit zeitweise verschwunden war.

In der Zeit von vor etwa 2,6 Millionen Jahren bis vor 11 700 Jahren – dem Pleistozän – wechselten sich Warm- und Kaltzeiten ab und Mammuts, Säbelzahntiger und Riesenfaultiere bevölkerten unseren Planeten. Das Zeitalter endete mit einem Massenaussterben verschiedener großer Säugetiere auf allen Kontinenten und dem Ende der letzten Eiszeit. Wie es in dieser Zeit um den Eisschild auf Grönland stand, ist bisher jedoch nicht genau bekannt.

Eine Frau schaut durch ein Mikroskop, daneben ein Bildschirm

Untersuchung der Fossilien am Mikroskop

Um diesem Rätsel auf die Spur zu kommen, untersuchte das Team um Paul Bierman und Halley Mastro von der University of Vermont Bodenproben aus drei Kilometern Tiefe, die bereits 1993 im Rahmen des Projekts Greenland Ice Sheet Project 2 dort entnommen worden waren. Darin fanden sie Fossilien verschiedener Pflanzen-, Pilz- und Insektenarten. Diese Fossilien sind ein starkes Anzeichen dafür, dass Grönland im Pleistozän zeitweise eisfrei war. Vor allem der Fund einer Moosart namens Selaginella rupestris stützt diese These. Denn sie wächst auf sandigem oder felsigem Untergrund und ist heute nur im Süden Grönlands – auf eisfreiem Fels – zu finden.

Radioaktiver Zerfall ermöglicht Datierung des Eisschild

Zudem untersuchten die Forschenden mit der sogenannten Aluminium-Beryllium-Methode, wann der Eisschild in Grönland verschwunden war. Dazu machten sie sich zunutze, dass die radioaktiven Isotope Aluminium-26 und Beryllium-10 durch kosmische Strahlung auf die Oberfläche von Gestein gelangen, solange es an der Erdoberfläche liegt. Gelangt es in tiefere Bodenschichten, wird es von der kosmischen Strahlung abgeschirmt. Dann ändert sich das Verhältnis der beiden Isotope, da sie unterschiedlich schnell zerfallen. Aus dem Verhältnis der Isotope zueinander konnten die Forschenden dann bestimmen, wann das Gestein nicht mehr der kosmischen Strahlung ausgesetzt war: nämlich in den letzten 1,1 Millionen Jahren.

Theoretisch sei es zwar möglich, dass die gefundenen Spezies bereits aus einer anderen eisfreien Epoche stammten und später in den Boden gelangten – etwa als sich das Eis über Zentralgrönland erneut zurückzog und der zuvor stabile Permafrostboden aufweichte. Das sei allerdings unwahrscheinlich, denn die Fossilien seien extrem gut erhalten, so die Forschenden.

Für das Team um Paul Bierman und Hally Mastro zeigt dieser Fossilienfund, dass es vielversprechend wäre, weitere Bodenproben aus Grönland zu untersuchen. Denn diese ermöglichen es zu untersuchen, wie Eis, Flora und Fauna auf Warmzeiten reagieren – ein wichtiger Vergleich zum menschengemachten Klimawandel.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2024/erdgeschichte-eine-zeit-in-der-groenland-eisfrei-war/