Navigieren mit Satellit: GPS

Eberhard F. Wassermann

GPS-Satellit

Noch vor wenigen Jahren war es eine teure Zusatzausstattung in Luxuslimousinen, heute kann es sich jedermann leisten: ein Global Positioning System (Weltweites Standortungs System), kurz GPS. Nicht nur im Auto auch als tragbares Gerät auf dem Fahrrad oder zu Fuß zeigt GPS zuverlässig die Position an, bis auf etwa 10 Meter genau. Doch wie funktioniert dieses Ortungssystem? Woher weiß es, dass ich „An der nächsten Kreuzung bitte links abbiegen“ muss. Und warum würde es uns ohne Korrekturen nach Einsteins Relativitätstheorie in die Irre führen?

Die Grundlage bildet die Ortsbestimmung über die exakte Zeitspanne, die ein Signal von einem zum anderen Ort braucht, eine so genannte Laufzeitmessung. Jeder kennt folgendes Experiment: Bei Gewitter zuckt ein Blitz, wir zählen „21, 22, 23“, dann kracht der Donner – und wir sind beruhigt. Denn dieser Blitz ist in etwa einen Kilometer Entfernung eingeschlagen. Die Schallgeschwindigkeit in Luft beträgt etwa 330 Meter pro Sekunde. Das Licht des Blitzes gelangt aber viel schneller, nämlich mit Lichtgeschwindigkeit von etwa 300.000 Kilometern pro Sekunde (genauer Wert c = 299.792,458 km/s) zum Beobachter. Nach den drei Sekunden des Auszählens hat der Schall eine Strecke von dreimal 330 Metern zurückgelegt. Für diesen knappen Kilometer brauchte dagegen das Licht nur drei Millionstel Sekunden, also für uns ohne wahrnehmbaren Zeitverlust. Aus der Bestimmung der Laufzeit eines Signals kann man also die Entfernung zwischen Quelle und Empfänger errechnen, wenn man die Ausbreitungsgeschwindigkeit des Signals kennt.

Aufbau des GPS Systems

Foto einer startenden Rakete mit viel Rauch und Dampf unter sich.

Transport eines Satelliten in den Weltraum

Dieses Prinzip macht man sich nun beim Global Positioning System (GPS) zu Nutze. Das GPS ist momentan jedermann zugänglich und seit 1995 voll in Betrieb. Das US-System besteht aus 24 Satelliten. In den kommenden Jahren wird auch das europäische Galileo-System wahrscheinlich seinen Betrieb aufnehmen. Jeder GPS-Satellit ist mit einer Nummer von 1 bis 24 gekennzeichnet. Alle umkreisen die Erde in der gleichen Höhe von rund 20.200 Kilometern auf sechs gegeneinander um 60 Grad versetzte und gegen die Äquatorebene um 55 Grad geneigten Bahnen.

Tatsächlich gibt es heute insgesamt 32 Satelliten, aber davon „schlafen“ einige als Reserve und einige sind „in Reparatur“, denn ihre mittlere Lebensdauer beträgt nur etwa zehn Jahre. Oder von den erdgestützten Kontrollstationen wird die Bahnlage korrigiert und dabei der Sender abgeschaltet. Für die Funktion des GPS ist wichtig, dass ein Empfänger überall auf der Erde am Himmel gleichzeitig mindestens Kontakt zu vier Satelliten hat – selbst wenn man zu Fuß zum Nordpol unterwegs ist. Aus der Überlegung, dass Fliehkraft und Erdanziehung sich auf der Umlaufbahn die Waage halten, lässt sich berechnen, dass die Umlaufzeit eines Satelliten ziemlich genau zwölf Stunden beträgt. Daraus ergibt sich eine Umlaufgeschwindigkeit von 3,9 Kilometer pro Sekunde.

Für eine exakte Messung der Signallaufzeiten zwischen Satellit und Erdoberfläche hat jeder Trabant in seiner Umlaufbahn heute sogar mehrere Atomuhren an Bord, und kann auf 15 Stellen nach dem Komma seine Zeit angeben. Ein Netz von fünf Monitorstationen steuert die Satelliten. Die Stationen sind an geographisch genau bekannten Fixpunkten am Boden in Äquatornähe um die Welt verteilt und übermitteln den Satelliten die Information, wo sie sich gerade befinden. Zudem sorgen sie dafür, dass alle Atomuhren an Bord aller Satelliten und in den Bodenstationen synchronisiert sind und genau gleich ticken – es findet also ein dauernder Uhrenvergleich statt.

Standortsbestimmung mit dem GPS

Nun sendet jeder Satellit mit Lichtgeschwindigkeit elektromagnetische Signal-Wellen auf einer zivil genutzten Trägerfrequenz (L1 = 1575,42 Megahertz (MHz)) – das entspricht einer Wellenlänge von gut 19 Zentimetern – aus. Das Signal mit der Modulationsfrequenz von 1023 MHz trägt den so genannten C/A-Code („Coarse/Acquisition“), das der GPS-Empfänger auf der Erde empfängt. Er enthält im Wesentlichen drei Informationen:

Foto: Satellit in dunklen All, dahinter wird die Erde groß sichtbar.

GPS-Satellit

  1. Identifizierung: „Ich bin der Satellit Sx.“
  2. Positionsangabe: „Meine jetzige Position ist y Grad Nord und z Grad West.“
  3. Signal-Sendezeitpunkt: „Diese Information habe ich nach meiner synchronisierten on-board Atomuhr genau zum Zeitpunkt tS gesendet.“

Zur Vereinfachung nimmt man an, dass der angepeilte Satellit stillsteht und sich auch der Empfänger mit seinem GPS-Gerät nicht bewegt. Ist der Empfänger im GPS mit einer guten Quarz-Funk-Uhr ausgestattet, die die Uhrzeit absolut auf etwa eine Tausendstel Sekunde genau anzeigt, dann stimmen die absolute Zeitangabe der Satelliten-Atomuhr und der Empfängeruhr auf diese Tausendstel Sekunde genau miteinander überein. Angenommen, der Empfänger erhält das Satellitensignal mit Position und Identifikationsnummer 0,067 Sekunden nach dem Absenden. Da das Signal mit Lichtgeschwindigkeit übermittelt wurde, kann man wie beim Blitz-Beispiel aus der Laufzeit die Entfernung errechnen und erhält eine Entfernung von 20.100 Kilometern zwischen Sender-Satellit und GPS-Emfänger.

Dieses Ergebnis enthält aber noch mehr Information: Da der Satellitensender in alle Richtungen des Raumes sendet, formt er quasi eine „Signal-Kugel“ um sich herum. Zum Zeitpunkt, zu dem der Empfänger hier das Signal empfängt, befindet sich der Empfänger irgendwo auf einer Kugel mit einem Radius von 20.100 Kilometern um den Satelliten, und übermittelt dadurch auch die Position des Satelliten. 

Um aber den genauen Standort auf der Erdoberfläche bestimmen zu können, braucht man die Daten von mindestens drei Satelliten. Wieder über Laufzeitmessungen erhält man insgesamt drei Radiuskurven, die sich an einem bestimmten Punkt auf der Erde überschneiden. Das genau ist die Position, an der sich der GPS-Empfänger gerade befindet.

Genauigkeit der Standortbestimmung

Doch wie genau ist diese Positionsbestimmung mit drei Satellitensignalen? Die Antwort darauf steckt in der Genauigkeit der Empfängeruhr. Im Intervall von einer Tausendstel Sekunde – dass ist die verlässliche Zeitangabe der Uhr im Empfänger – hat das Signal, egal von welchem Satelliten, genau 300 Kilometer zurückgelegt. Unsere Standortangabe ist mit dieser Methode also bestenfalls auf diese Distanz korrekt. Wäre dies der Stand der Dinge, so wäre das GPS völlig unbrauchbar. Moderne GPS Geräte erreichen aber eine Standortbestimmung mit Genauigkeiten von mindestens 30 Metern, also ±15 Meter um die Postition. Wie funktioniert das?

Diese Distanz von 30 Metern legt das Signal mit Lichtgeschwindigkeit in zehn Milliardstel Sekunden zurück. Aber diese Ganggenauigkeit erreicht die Quarzuhr im Empfänger nicht. Die GPS-Entwickler greifen hier auf eine elegante Lösung zurück: auf die Information eines vierten Satellitens. Um die gleichzeitige Initialisierung von Bord- und Empfängeruhren im Bereich von Milliardstel Sekunden zu erreichen, nutzt man folgende Tatsache aus: Durch die Genauigkeitsprobleme bei der Zeitangabe der Empfängeruhr tritt bei allen Distanzmessungen zu den Satelliten immer der gleiche Fehler auf. Geht die Empfängeruhr z.B. 0,002 Sekunden vor, wird die Entfernung zu allen Satelliten um 600 Kilometer ( \(s = 300.000\,\textrm{km/s} \cdot 0,002\,\rm s\) ) zu groß gemessen. Zieht man aber einen vierten Satelliten zur Beobachtung hinzu, lässt sich dieser Fehler beheben. Denn der Rechner des GPS Geräts hat mit den Werten von vier Satelliten ein System von vier Gleichungen mit vier Unbekannten zu lösen. Dieses Gleichungssystem hat eine eindeutige Lösung, die zur Synchronisation der Empfängeruhr mit den Atomuhren der Satelliten führt und damit die genauere Bestimmung der Position erlaubt. Einzige Voraussetzung: Der Empfänger muss mindestens 4 Satelliten gleichzeitig sehen.

Relativistische Korrekturen nach Einstein

Für Positionsangaben mit Genauigkeiten von ±15 Metern sind also Zeitmessungen mit Genauigkeiten im Bereich von ±0,000.000.010 Sekunden notwendig. Bei diesem Genauigkeitsbereich sind auch relativistische Korrekturen nach Einstein zu berücksichtigen. Grundlage der speziellen Relativitätstheorie Einsteins ist seine Überlegung und experimentell bestätigte Tatsache, dass die Lichtgeschwindigkeit c konstant ist. Nichts ist schneller als das Licht. Aus dieser Grundaussage folgt die so genannte relativistische Zeitdilatation, die besagt: „Eine bewegte Uhr geht langsamer als eine ruhende Uhr“. Das bedeutet, dass es bei der Bestimmung eines Zeitintervalls einen Unterschied macht, ob man mit einer Uhr auf der festen Erde oder in einem bewegten System, z.B. mit einer Atomuhr auf einem Satelliten misst. Aus Einsteins Theorien folgt, dass die Uhr auf dem Satelliten langsamer geht als auf der Erde. Um wieviel die Satellitenuhr langsamer geht, hängt dabei von der Geschwindigkeit des Satelliten ab. Bewegt sich der GPS-Satellit relativ zum Empfänger mit einer Geschwindigkeit von 3,9 Kilometern pro Sekunde, so läuft die Satellitenuhr um den winzigen Anteil von \( 0,83 \cdot 10^{-8}\) Prozent zu langsam.

Auf den ersten Blick scheint dieser Effekt für das GPS vernachlässigbar klein zu sein. Aber für eine feste Messzeit erhalten wir aus diesem Fehler in der Zeitbestimmung einen Fehler in der Laufstrecke. Und mit fortlaufender Zeit wird dieser Fehler immer größer, er akkumuliert So liegt schon nach nur zwölf Stunden die ermittelte GPS-Position um einen guten Kilometer neben der tatsächlichen Position.

Einfluss der Schwerkraft

Gravierender im wahrsten Sinne des Wortes ist für die Genauigkeit des GPS aber der Einfluss der Schwerkraft. Hier kommt Einsteins Theorie zum zweiten Mal ins Spiel, nun mit der Allgemeinen Relativitätstheorie, die besagt: „Je größer die Schwerkraft, desto langsamer vergeht die Zeit!“ Da die Schwerkraft im Satelliten (0,56 Newton) nur etwa sechs Prozent der Schwerkraft auf der Erde (9,81 Newton) beträgt, geht nach Einsteins Theorie die Uhr im Satelliten schneller. Das ist genau das umgekehrte Verhalten als durch die schnelle Satellitenbewegung und die Zeitabweichung nach Einsteins Spezieller Relativitätstheorie. Doch beide Effekte heben sich nicht genau auf. Zwar bedeutet der Einfluss der Schwerkraft, dass ein Zeitintervall auf der Erde gemessen stets kleiner ist als im Satelliten. Doch dieser Effekt muss genau bestimmt werden. Eine genauere Berechnung ergibt, dass nach der allgemeinen Relativitätstheorie die Zeit im Satelliten um einen Anteil von \( 5,28 \cdot 10^{-8}\) Prozent zu schnell abläuft. Beide relativistischen Abweichungen zusammen genommen, ergeben folgenden Gesamtfehler: die Atomuhr in einem GPS Satelliten geht insgesamt um 0,445 Milliardstel Sekunden zu schnell. In der Praxis bedeutet das, dass nach nur 24 Stunden das GPS die tatsächliche Position um etwa 11,5 Kilometer verfehlt. Ohne Berücksichtigung von Einsteins Theorien führte das GPS also in die Irre.

Korrekturen gemäß Einstein

Da der Fehler aber linear in der Zeit ist, also mit der Zeit immer gleich anwächst, lässt sich leicht Abhilfe schaffen. Die Modulationsfrequenzen für das GPS System wurden leicht korrigiert: Man setzt sie von 1023 MHz auf 1022,999.999.545 MHz zurück. Damit werden die relativistischen Fehler für die Satellitenuhr korrigiert. Mit diesem einfachen Trick muss man sich bei der Positionsbestimmung mit dem GPS nicht mehr mit der Relativitätstheorie auseinandersetzen. Einstein würde das sicher bedauern. Andererseits beweist das GPS auch die Richtigkeit seiner Überlegungen. Das wiederum hätte Einstein sicher erfreut.

Eiernde Satelliten: Weitere Korrekturen für genauere Positionen

Moderne GPS Systeme werden sogar noch genauer. Dazu bedarf es vieler weiterer Korrekturen und Daten und teurer Elektronik nicht nur in den Empfängern. Mit Hilfe der so genannten „Differentiellen Technik“ (DGPS), bei der ein zweiter stationärer Empfänger zur Referenz eingesetzt wird, lassen sich Genauigkeiten von weniger als ±1 Meter erreichen. Will man auf Zentimeter genau sein, so müssen weitere Fehler korrigiert werden.

Periodische Fehler ergeben sich z.B. aus der Tatsache, dass die Umlaufbahnen der Satelliten nicht ganz rund sondern elliptisch sind, und/oder der Satellit auf seiner Bahn nicht gerade läuft sondern „eiert“. Störungen in der Signalausbreitung ergeben sich durch Streuung und Brechung der elektromagnetischen Signalwellen an den geladenen Molekülen der Ionosphäre. Auch die Relativitätstheorie erfordert weitere Korrekturen z.B. durch den so genannten Sagnac-Effekt, die zusätzliche Berücksichtigung der Erdrotation bei Laufzeitbestimmungen. Auch die Tatsache, dass die Erde keine Kugel ist, ergibt kleine Korrekturen. Das europäische System Galileo, dessen Start für 2010 geplant ist, wird mit seinen 30 Satelliten den gesamten Globus abdecken und weitere Verbesserungen liefern und präziser als das GPS werden. Ein Zusammenschluss beider Satelliten-Navigationssysteme GPS und Galileo ist im Gespräch und würde die Genauigkeiten einer Ortsbestimmung revolutionieren. Ortsbestimmung auf Millimeter genau sind keine Zukunftsmusik, sondern werden sich erreichen lassen – sogar innerhalb von Gebäuden. Dann lässt sich mit einem Satelliten-Navigationssystem sogar bestimmen, ob ein Billardtisch schief steht oder nicht.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/erde/gps/