Regelmäßige Rissmuster in dünnen Schichten
David Vogel
Warum Risse in Keramikglasuren oder in den Farblagen alter Gemälde ungeordnet verlaufen, ist vergleichsweise gut verstanden. Hingegen sind die regelmäßigen Rissmuster, die man in speziellen Beschichtungen von optischen Instrumenten beobachten kann, nicht mit demselben Mechanismus erklärbar. Eine Studie der Forschergruppe um Joël Marthelot von der Hochschule für angewandte Physik und Chemie der Stadt Paris zeigt, dass die Regelmäßigkeit entsteht, indem eine anfängliche Rissform als Vorlage dient und im Zuge der Ausbreitung nachgebildet wird. Die Forscher veröffentlichten ihre Ergebnisse im Fachjournal „Physical Review Letters“.
Wird eine mechanische Spannung in einem Belag zu groß, so reißt dieser entlang einer Kurve und löst sich von der Oberfläche ab. Man erwartet im Normalfall nahezu gerade Risslinien, die ein dichtes zufälliges Muster ausbilden. Marthelot und seine Kollegen trugen auf Siliziumplatten Beschichtungen auf, die sonst dazu dienen, die Eigenschaften von optischen Elementen zum Beispiel in Lasern anzupassen. „Archimedische Spiralen, Aneinanderreihungen von Mondsicheln oder parallele Streifen wuchsen unmittelbar nachdem […] die Probe aus der Reaktionskammer genommen wurde“, schildert das Team seine Beobachtung der ungewöhnlichen Rissmuster. Sichtbar gemacht wurden die einige Hundert Mikrometer breiten Risse in den wenige Mikrometer dicken Schichten mit einem Rasterelektronenmikroskop. Zunächst entstanden Muster, die durch mechanische Spannungen bei Unregelmäßigkeiten im Atomgitter der Beschichtung ausgelöst wurden. Ritzten die Wissenschaftler die Schicht per Hand in einer gewünschten Form ein – etwa einem Bogen –, so bildete sich diese Form in festen Abständen wiederholt aus. Aus einem einfachen Bogen formierte sich so eine Sichelreihe, der Beginn einer Spirale setzte sich fort. Die Abstände der aufeinander folgenden Risse waren dabei stets durch die Dicke der Schicht festgelegt.
Die Forscher schlagen einen neuen Mechanismus der Rissbildung vor, um ihre Beobachtungen zu erklären: Im Fall der ungeordneten Rissmuster in Gemälden breitet sich zuerst die Risslinie aus, während die Schicht noch eine Weile an der Oberfläche haften bleibt. In den untersuchten Beschichtungen jedoch finden Ausbreitung des Risses und das Ablösen der Schicht gleichzeitig statt.
Da die Muster extrem gleichförmig sind und sich kontrollierbar erzeugen lassen, sehen die Wissenschaftler die Möglchkeit, mit ihrer Hilfe neue Verfahren zur Oberflächenstrukturierung zu entwickeln.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2014/regelmaessige-rissmuster/