Wie kosmische Strahlung Wolken beeinflusst
Wirkt sich kosmische Strahlung auf die Wolken und somit auf das Klima aus? Noch gibt es nur Indizien. Möglicherweise führt die ionisierende Wirkung der kosmischen Partikel zur Zunahme von Wolken und zur Abkühlung der Luft. Details sind unklar, die Frage ist offen. Genaueres soll ein Experiment am CERN verraten.
Sie sind für das menschliche Auge unsichtbar: kleinste Teilchen aus dem Kosmos, die unaufhörlich auf die Atmosphäre einprasseln. Man bezeichnet den Teilchenschauer auch als kosmische Strahlung. Sie hat ihren Ursprung vermutlich in Supernovae, das sind gigantische Sternexplosionen, die sich in weiter Ferne ereignen. Einige Forscher nehmen an, dass der Strom kosmischer Teilchen die Wolken in der Erdatmosphäre beeinflusst, und zwar so stark, dass sich dadurch das Klima ändern kann. Für diese Vermutung gibt es drei Gründe: Erstens schwankt die kosmische Strahlung mit der Zeit, zweitens können die Partikel theoretisch auf die Entstehung feinster Wolkentröpfchen einwirken und drittens gibt es in Messdaten etliche Korrelationen zwischen der kosmischen Strahlung und meteorologischen Beobachtungsgrößen.
Die meisten Teilchen, die da aus dem All auf die Atmosphäre einprasseln, sind hochenergetische Protonen. In den höheren Schichten der Lufthülle entstehen durch Wechselwirkung mit Luftmolekülen sogenannte sekundäre Partikel. Unterhalb von sechs Kilometern Höhe kommen vorwiegend Myonen an. Die Intensität der kosmischen Strahlung in der Vergangenheit kennt man von Radioisotopen wie Kohlenstoff-14 und Beryllium-10, denn die entstehen durch die Einwirkung der Partikel aus dem All. Den Isotopendaten zufolge hat die kosmische Strahlung im 20. Jahrhundert um 15 Prozent abgenommen. Diese Entwicklung hängt mit der gewachsenen Aktivität der Sonne zusammen, welche die kosmische Strahlung teilweise abzuschirmen vermag. Grundsätzlich wird die Intensität des Partikelstroms nämlich durch den Sonnenwind, aber auch durch die Stärke des Erdmagnetfelds und die weitere Umgebung unseres Sonnensystems bestimmt.
n den vergangenen zwanzig Jahren berichteten Forscher von einer ganzen Reihe von Korrelationen zwischen der kosmischen Strahlung und der Wolkenbedeckung. Doch weil es immer wieder passiert ist, dass eine Korrelation nach einer Weile nicht mehr zu beobachten war, bestehen Zweifel an der Robustheit des Zusammenhangs. Ähnliche Zweifel betreffen Indizien aus der Paläoklimatologie: Dort wurden ebenfalls ominöse Korrelationen gefunden, nämlich zwischen den oben genannten Radioisotopen und lokalen Klimaindikatoren wie Temperatur oder Regen. Zu gern wüssten die Forscher also, ob ein echter Wirkungsmechanismus zu finden ist.
Derzeit kursieren im Wesentlichen zwei Hypothesen, um den Einfluss der kosmischen Strahlung auf die Wolken zu erklären. Bei der ersten, favorisierten Hypothese geht es um mikroskopisch kleine Zusammenballungen von Molekülen in der Luft. Diese Vorläuferteilchen für die Kondensationskerne von Wolkentröpfchen sind sogenannte Aerosolpartikel. Bislang ist es Wissenschaftlern nicht gelungen, die Entstehung der Aerosolpartikel zweifelsfrei zu klären. Hier kommt die kosmische Strahlung ins Spiel: Man nimmt an, dass Ionen, also geladene Moleküle, die von der kosmischen Strahlung erzeugt werden, die Bildung der Aerosolpartikel begünstigen. Modellrechnungen zufolge sollte dies gerade in tieferen Schichten der Atmosphäre der Fall sein. Die zweite Hypothese beruht darauf, dass sich die durch kosmische Strahlung verursachten Ladungsänderungen in komplizierter Weise auf die Umgebung von Wolken auswirken.
Ob die Wirkung der kosmischen Strahlung auf die Wolken so stark ist, dass sie sich in der realen Atmosphäre beobachten lässt, ist noch völlig unklar. Vermutlich wird sich der Nachweis nur durch lang andauernde Beobachtungen über große Flächen erbringen lassen. Doch Forscher am europäischen Kernforschungszentrum CERN bei Genf in der Schweiz haben neuerdings Experimente begonnen, die Aufklärung über die physikalischen Prozesse in den Wolken liefern sollen.
Das Experiment heißt CLOUD, die Abkürzung steht für „Cosmics Leaving Outdoor Droplets“. Es wird von Jasper Kirkby am CERN geleitet. Im Mittelpunkt der Experimente, die 2009 begonnen haben, steht eine vier Meter lange Aerosolkammer. Sie ist den Partikelströmen des CERN ausgesetzt, mit denen die kosmische Strahlung simuliert wird. Dabei können die Zusammensetzung der Luft und die Temperatur unabhängig voneinander variiert werden, um die Bedingungen in der Atmosphäre treffend nachzuahmen. Während die Kammer im Strom der Partikel steht, solldie Reaktion aufgezeichnet werden: Dazu dienen zahlreicheMessinstrumente (Experimente: siehe Kasten).
Grundsätzlich muss man noch viel über die Aerosol- und Wolkenentstehung und die Wirkung der kosmischen Strahlung auf die Wolken dazulernen. Außerdem stehen die Forscher vor der Aufgabe, den Einfluss der kosmischen Strahlung eindeutig von dem der Sonnenaktivität zu trennen. Erst wenn das gelungen ist, wird sich mit Bestimmtheit sagen lassen, wie stark – und in welcher Richtung – der kosmische Teilchenschauer das Klima beeinflusst und wie sich das im Laufe der Zeit ausgewirkt hat. Noch ist es für solche Aussagen zu früh.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/atmosphaere/wetter/kosmische-strahlung/