Zeichenlehre der Wetterkarte

Sven Titz

Sturm Emma

Es sind Karten des Alltags. Jeder hat schon Hunderte von ihnen gesehen – in der Zeitung, im Fernsehen oder auf Internetseiten. Doch was all die Linien und Symbole einer Wetterkarte bedeuten, kommt manch einem trotzdem spanisch vor. Dabei ist es eigentlich ganz einfach: In einer Wetterkarte werden der Luftdruck und die Fronten dargestellt und manchmal auch die Temperatur. Wer die Karte richtig lesen will, muss bloß ein paar typische Zeichen kennen.

Je nachdem, für welchen Zweck eine Wetterkarte angefertigt wurde, sieht sie ein wenig anders aus. Zwei Dinge tauchen aber fast immer darin auf: Isobaren und Fronten. Denn durch diese Elemente lässt sich die Struktur einer Wetterlage gut veranschaulichen.

Auf dieser Europakarte sind zahlreiche Hochs, Tiefs und Wetterfronten zu erkennen. Westlich von Spanien hängt ein Hoch über dem Meer. Über Skandinavien geht von einem Tief eine Okklusionsfront aus, die sich über Polen in eine Kalt- und Warmfront spalt

Eine Wetterkarte

In eine Wetterkarte für den normalen Endnutzer wird immer der Luftdruck eingetragen, der am Boden herrscht. Man erkennt den Druck an den Isobaren, den Linien gleichen Luftdrucks. Zum besseren Verständnis hilft es, dabei an topografische Landkarten zu denken: Die Höhenlinien (Isohypsen) haben eine ganz ähnliche Funktion wie die Isobaren.

An den Isobaren stehen Zahlen, die den Luftdruck in der Einheit Hektopascal angeben (manchmal wird noch die veraltete Druckeinheit Millibar verwendet). Dort, wo die Isobaren sich zu einem Kreis formen, steht in der Regel ein T oder ein H in der Mitte -die beiden Buchstaben stehen für Tiefdruckgebiet und Hochdruckgebiet. Ein typisches Tief über dem Atlantik besitzt im Winter einen Kerndruck von 950 bis 980 Hektopascal. Ein Hoch kann Werte bis weit über 1040 Hektopascal erreichen. Der mittlere Luftdruck liegt dazwischen und beträgt 1013,25 Hektopascal.

Die Isobaren und der Wind

Dunkle Wolken, etwa in der Mitte eine horizontale Wolkenformaton, die etwas heller ist als die umgebende Bewölkung.

Böenkragen kurz hinter einer Kaltfront

Nicht nur der Luftdruck lässt sich an den Isobaren ablesen. Die Linien zeigen auch ungefähr an, wie der Wind weht. Im Prinzip sollte ja die Luft vom hohen zum tiefen Druck strömen – gäbe es nicht die Rotation der Erde. Diese führt dazu, dass der Wind abgelenkt wird. Dafür ist die Corioliskraft verantwortlich, eine Scheinkraft innerhalb eines rotierenden Systems. Die Corioliskraft lenkt den Wind auf der Nordhalbkugel immer nach rechts ab, südlich des Äquators nach links. Die Folge davon ist, dass der Wind um die Tiefs auf der Nordhalbkugel entgegen dem Uhrzeigersinn weht. Rings um die Hochs geht es andersherum, also mit dem Uhrzeigersinn.

An manchen Stellen der Wetterkarte verlaufen die Isobaren sehr eng nebeneinander. Dort sind die Luftdruckgegensätze groß und der Wind weht besonders stark. Beachtete man allein den horizontalen Druckunterschied und die Corioliskraft, dann müsste der Wind parallel zu den Isobaren wehen. Doch es verhält sich nicht ganz so. Die Windrichtung am Boden ist immer um ein paar Grad zum Tiefkern hin verschoben. Das liegt an der Reibung durch Luftwirbel – sie wird durch die Oberflächenrauigkeit erzeugt. Die turbulente Reibung verschiebt das Kräftegleichgewicht. Dadurch strömt die Luft am Boden auf einem Spiralweg in Richtung Tief.

Die Wetterfronten

Info-Grafik, zweiteilig. Oben ein Tiefdruckgebiet mit Isobaren und Fronten. Unten ein Vertikalschnitt durch das Tiefdruckgebiet mit der Warmfront auf der rechten Seite und der Kaltfront auf der linken Seite. An beiden Fronten, die sich nach rechts bewegen, sind Wolken und Niederschlag eingezeichnet.

Wetterfronten

Auf Wetterkarten sind – ausgehend von den Tiefdruckgebieten – viele Fronten eingezeichnet. Warmfronten werden durch dicke schwarze oder rote Linien mit Halbkreisen daran gekennzeichnet, Kaltfronten durch dicke schwarze oder blaue Linien mit Zacken. Oft ist der Durchzug einer Wetterfront mit Niederschlag verbunden. Denn an den Fronten grenzen Luftmassen unterschiedlicher Temperatur und Dichte aneinander (siehe Bild 2), was zu Wolkenbildung führt.

An einer Warmfront schiebt sich warme leichte Luft über kältere Luft, während es sich an einer Kaltfront gerade umgekehrt verhält. Dort drückt sich wegen der größeren Dichte eine Luftmasse niedrigerer Temperatur unter eine Luftmasse mit höherer Temperatur. Die Wettererscheinungen an einer Kaltfront sind meistens heftiger. Ist die Front stark ausgeprägt, dann kann es dort zu allen Jahreszeiten Schauer, Gewitter und Windböen geben.

Manchmal werden in einer Wetterkarte auch die Bodentemperaturen wiedergegeben, etwa durch Farbflächen – in diesem Fall kann man die durch Fronten getrennten Luftmassen an den unterschiedlichen Farben gut erkennen.

Die Fronten wandern mit Wind und Wolken mit. Dabei zieht die Warmfront eines Tiefs immer vor der Kaltfront auf. Weil sich die Kaltfront in der Regel aber schneller bewegt, holt sie ihr Pendant im Laufe der Zeit irgendwann ein. Dabei hebt die kalte Luftmasse der Kaltfront die warme Luftmasse zwischen den beiden Fronten an und verbindet sich mit der vorlaufenden kühlen Luftmasse. Auf diese Weise bildet sich eine Okklusion (von lateinisch occludere für „verschließen“). Sie ist in Wetterkarten an den abwechselnd runden und gezackten Markierungen zu erkennen; manchmal wird diese Linie violett eingefärbt. Eine Okklusionsfront kommt häufig zustande, wenn ein Tiefdruckgebiet sich aufzulösen beginnt. Das muss allerdings kein Zeichen für schwache Wettererscheinungen sein: An der Okklusionsfront eines Orkantiefs beispielsweise kann es starken Regen und viel Wind geben.

Vielseitige Karten

Wetterkarten werden mal für das beobachtete Wetter gezeichnet, mal für das vorhergesagte Wetter. Handelt es sich in der Karte um die meteorologischen Verhältnisse der Vergangenheit, dann stammen die verwendeten Daten von den Messstationen der Wetterdienste. Der Luftdruck muss für die Darstellung häufig umgerechnet werden. Denn viele Stationen befinden sich Hunderte bis Tausende Meter über dem Meeresspiegel, wo der Luftdruck niedriger ist als an der Küste. Würde man diese Werte für die Karte verwenden, dann wäre an jedem Gebirge ein Tief zu sehen. Darum trägt man den Luftdruck ein, der nach theoretischer Berechnung auf Meeresniveau herrschen würde.

Die Vorhersage wird von Meteorologen mit ganz ähnlichen Wetterkarten visualisiert. Die Daten dieser Karten stammen von Simulationen, die von den Wetterdiensten mit ihren Computermodellen durchgeführt werden. Anhand der prognostizierten Werte wird die Wetterkarte auf die gleiche Weise gezeichnet, wie dies auch beim beobachteten Wetter geschieht.

Für meteorologische Zwecke gibt es noch viele weitere Wetterkarten. Zum Beispiel fertigen die Fachleute Detailkarten mit zahlreichen Messwerten der Wetterstationen an – zu diesen Werten gehören etwa die Windgeschwindigkeit, die Windrichtung und der Bedeckungsgrad. Außerdem untersuchen Meteorologen besonders genau die Verhältnisse in höheren Luftschichten. Das Wesentliche des Wetters spielt sich schließlich nicht am Boden ab, sondern weit darüber bis in Höhen von etwa 10 bis 15 Kilometern. In den Wetterkarten für die Zeitung konzentriert man sich nur deshalb auf die Verhältnisse an der Erdoberfläche, weil wir Menschen dort leben.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/atmosphaere/wetter/wetterkarte/