Spektrum eines Kugelblitzes gemessen
Claudia Schneider
Kugelblitze sind rätselhafte, ballförmige Leuchterscheinungen, die zusammen mit Gewittern auftreten können. Da sie selten vorkommen und sich vorhandene Beschreibungen allein auf Augenzeugen stützen, lassen sich Kugelblitze nur schwer wissenschaftlich fassen oder belegen. Blitzforschern um Jianyong Cen vom Key Laboratory of Atomic and Molecular Physics and Functional Materials in der chinesischen Provinz Gansu berichten nun von der zufälligen Beobachtung eines Kugelblitzes während eines Feldversuchs im Jahr 2012. Den Wissenschaftlern gelang es, den flüchtigen Kugelblitz zu filmen und das Farbspektrum seines Lichtes zu analysieren. Dabei fanden sie Spektrallinien einiger Elemente, die typischerweise im Erdboden vorkommen. Die Forscher stellen ihre Auswertung im Fachmagazin „Physical Review Letters“ vor.
Eigentlich wollten Jianyong Cen und seine Kollegen gewöhnliche Blitze studieren, als sie ihr Spektrometer auf das Qinghai-Plateau im Hochland von Tibet brachten – eine Region, in der es häufig Gewitter gibt. Am späten Abend des 23. Juli 2012 machten sie jedoch eine ungewöhnliche Beobachtung: Unmittelbar nach einem Wolke-Boden-Blitz tauchte rund neunhundert Meter von ihrem Messgerät entfernt ein Kugelblitz auf. Durch diesen Zufall gelang es den Forschern, die Leuchterscheinung mit einer Hochgeschwindigkeitskamera zu filmen und ihr Farbspektrum aufzunehmen. Das Leuchten dauerte etwa eine Sekunde, während sich seine Farbe von weiß hin zu rötlich veränderte. Der rundliche Blitz hatte einen Durchmesser von etwa fünf Metern, wobei die innere Kugel deutlich kleiner ausfiel. Obwohl die Dunkelheit die Sicht behinderte, meinten die Forscher, die glühende Kugel rund zehn Meter weit durch die Luft schweben zu sehen, während sie um etwa drei Meter emporstieg. Die genaue Höhe des Kugelblitzes über dem Erdboden konnten sie allerdings nicht einschätzen.
Im Spektrum des Kugelblitzes wiesen Cen und seine Kollegen Silizium, Eisen und Kalzium nach. Diese Elemente kommen häufig in Form von Mineralien im Erdboden vor. Das ebenfalls im Boden enthaltene Aluminium konnten sie mit ihrem Spektrometer jedoch nicht erfassen, denn das Gerät deckt nur den Bereich sichtbaren Lichts mit Wellenlängen von 400 bis 1000 Nanometern ab. Aluminium hingegen weist keine Spektrallinien im Bereich des sichtbaren Lichts auf. Die gemessenen Daten liefern erste Hinweise auf die Richtigkeit einer populären Theorie, wonach Kugelblitze entstehen, wenn ein Blitz in den Boden einschlägt und durch seine Hitze darin enthaltene Silikate verdampft. Durch chemische Reaktionen, die den Silikaten Sauerstoff entziehen, entsteht dann ein leuchtendes Siliziumplasma. Die Theorie gilt jedoch nicht als wissenschaftlich bestätigt.
In einer Reihe von Forschungsprogrammen wurden bereits natürliche und künstlich hergestellte Blitze gefilmt, aber bisher ist keines davon auf einen Kugelblitz gestoßen. Tatsächlich halten Experten anderer Universitäten diese Beobachtung für einzigartig, denn sie lässt Rückschlüsse zu, wie man künftig Kugelblitze im Labor erzeugen könnte. Das Forscherteam um Jianyong Cen plant nun, die beobachteten Bedingungen zu simulieren und im Labor zu reproduzieren.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2014/spektrum-eines-kugelblitzes-gemessen/