Rätsel um tieffrequentes Erdbrummen geklärt
Jan Oliver Löfken
Rund um den Globus schlagen permanent Meereswellen an die Küsten. Dadurch wird die Erde in kleine Schwingungen versetzt, und über einen weiten Frequenzbereich breiten sich mikroseismische Wellen durch den Erdkörper aus. Französische Geophysiker konnten nun die Ursache für besonders tieffrequente Wellen identifizieren. Wie sie in der Fachzeitschrift „Geophysical Research Letters“ berichten, lässt sich nun das für das menschliche Ohr nicht wahrnehmbare Brummen der Erde noch besser erklären. Mit diesem Wissen eröffnen sich weitere Möglichkeiten, mikroseismische Wellen gezielt für geophysikalische Messungen zu nutzen.
„Dieses Brummen gehört zu den am wenigsten verstandenen Schwingungen der Erde“, sagt Fabrice Ardhuin vom französischen Institut für Meeresforschung Ifremer in Brest. Daher analysierte er mit seinen Kollegen die schwächsten der mikroseismischen Schwingungen, die mit besonders langen Perioden zwischen 13 und 300 Sekunden und somit tiefen Frequenzen die Erde vibrieren lassen. Die notwendigen Daten lieferten hochempfindliche Sensoren an mehreren Küstenabschnitten wie beispielsweise an der französischen Atlantikküste. Mit komplexen numerischen Modellen gelang es den Forschern, die extrem schwachen Schwingungen im Computer zu reproduzieren.
Das Ergebnis dieser Analyse war eindeutig: Wenn Meereswellen sich über den relativ steil ansteigenden Meeresboden in Küstennähe ausbreiten, übertragen sie etwas Energie auf den Erdkörper und die besonders tieffrequenten Schwingungen mit Amplituden von höchstens einigen Mikrometern entstehen. In einem weiteren Modell schlugen Geowissenschaftler bisher nichtlineare Effekte zwischen gegenläufigen Meereswellen als Ursache vor. Doch diese Theorie kann nun dank der neuen Ergebnisse verworfen werden.
Mit diesem Wissen könnte das permanente mikroseismische Brummen der Erde noch besser genutzt werden. Über die Analyse dieser schwachen Schwingungen schlossen Geophysiker bereits auf den Schalenaufbau der Erde mit Kern, Mantel und Kruste zurück. Detailliertere Untersuchungen rücken nun näher. Erst jüngst entwickelten Wissenschaftler von der kalifornischen Stanford University ein mikroseismisches Verfahren, das bei der Ausbeutung von Erdöllagerstätten hilfreich sein könnte.
So werden bereits erschlossene Gas- und Ölquellen im Meeresboden regelmäßig mit geophysikalischen Methoden analysiert, um optimale Förderraten zu garantieren. Bisher kreuzen dazu mehrmals pro Jahr Spezialschiffe über die Lagerstätten. Luftkanonen, im Fachjargon „Air Guns“ genannt, erzeugen an der Wasseroberfläche starke Druckwellen, die durch das Wasser in den Meeresboden vordringen. Die reflektierten seismischen Wellen werden mit einem Detektornetz aufgefangen und liefern nach ihrer Auswertung ein relativ genaues Abbild der Lagerstätte. Als Alternative zu diesem teuren Monitoring-Verfahren, reichen aber schon die kleinen Erschütterungen, die Meereswellen verursachen, für die Kartierung des Meeresbodens aus.
„Wir wussten, dass diese natürliche seismische Energie verfügbar war, hatten aber keine Idee, wozu wir sie nutzen könnten“, sagt Sjoerd de Ridder vom Stanforder Department of Geophysics. Über mehrere Jahre entwickelte er mit seinen Kollegen und dem Unternehmen Schlumberger die Analysetechnik, um selbst mit sehr schwachen seismischen Wellen den Meeresboden durchleuchten zu können. Für ihre Praxisversuche nutzten sie ein engmaschiges Sensornetzwerk am Meeresboden rund um das Ekofisk-Ölfeld in der Nordsee. Kern ihrer Methode war ein ausgeklügelter Algorithmus, der in den detektierten seismischen Wellen störendes Rauschen von Information tragenden Signalen trennte. Das Ergebnis zeigte signifikante Unterschiede in der Laufzeit der seismischen Wellen, über die auf die Struktur des Meeresbodens und den Zustand einer Lagerstätte bis in 300 Meter Tiefe zurückgeschlossen werden konnte. Dabei war die Datenqualität mit der der herkömmlichen Luftkanonen-Messungen vergleichbar. Mit dieser Methode könnten Förderfirmen in Zukunft ihre Lagerstätten kontinuierlich und deutlich günstiger analysieren. Da keine lauten Luftdruck-Schüsse mehr nötig sind, sinkt auch die Lärmbelastung für die Tierwelt.
Wissenschaft aktuell gemäß den Bedingungen der Quelle
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2015/erdbrummen/