Überraschend dünne Erdatmosphäre

Analysen von fossilen Gaseinschlüssen in Lavagestein legen nahe, dass der Luftdruck vor rund drei Milliarden Jahren nur halb so hoch war wie heute.

Jan Oliver Löfken

In diesen erstarrten Lavaströmen in Australien befinden sich eingeschlossene Gasblasen, die Aufschluss auf die Erdatmosphäre vor fast drei Milliarden Jahren geben.

Die Atmosphäre der Erde reicht bis in eine Höhe von etwa neunzig Kilometern. Aufsummiert kommen alle Gase vom Stickstoff über Sauerstoff bis zum Kohlendioxid auf eine Masse von rund fünf Billiarden Tonnen. Deutlich leichter war die Erdatmosphäre vor knapp drei Milliarden. Zu diesem Ergebnis kommen Geowissenschaftler, die fossile Gaseinschlüsse in Lavagestein analysiert haben. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Geoscience“ berichten, widerspricht diese Entdeckung der bisherigen Annahme, dass die Atmosphäre in dieser frühen Epoche der Erdgeschichte dichter als heute gewesen sein könnte.

„Diese Gesteine sind wie ein Geschichtsbuch für die Erde, da sie die Umweltbedingungen zur Zeit ihres Erstarrens speichern“, sagt Sanjoy Som vom Blue Marble Space Institute of Science in Seattle. Mithilfe von Röntgenstrahlung untersuchten der Forscher und seine Kollegen Proben von erstarrten Lavaströmen, die vor 2,7 Milliarden Jahren auf dem Gebiet des heutigen Australiens im sogenannten Pilbara-Kraton erstarrten. Das vulkanische Gestein enthielt Gaseinschlüsse, die sich im Lauf der Jahrmillionen mit Mineralen füllten. Doch die Struktur der Blasen blieb erhalten und liefert kann heute Hinweise auf die damalige Atmosphäre liefern.

Sauerstoff gab es während dieser Erdepoche noch nicht in der Atmosphäre, die vor allem reich an Stickstoff gewesen sein musste. Die aktuellen Messungen ergaben einen Luftdruck von etwa 230 Millibar, der damit sehr viel schwächer ausgeprägt war als heute. Die Obergrenze für den maximalen Luftdruck konnten Som und Kollegen auf etwa 500 Millibar festlegen. Damit widersprechen ihre Messungen anderen Theorien, die von einem deutlich höheren Luftdruck als heute ausgehen.

Vor 2,7 Milliarden gab es mit hoher Sicherheit schon flüssiges Wasser auf der Erde, das wegen des geringen Luftdrucks allerdings schon bei knapp sechzig Grad Celsius verdampft wäre. Doch warum es überhaupt warm genug für flüssiges Wasser war, ist ein Rätsel. Aktuelle Theorien gehen von einem starken Treibhauseffekt aus, der durch große Anteile von Treibhausgasen wie Methan oder Kohlendioxid neben dem Stickstoff in der dünnen Erdatmosphäre verursacht wurde.

Diese Ergebnisse sind nicht nur interessant für die Erforschung der Erdgeschichte. Auch für die Beurteilung von Exoplanenten und die Chancen auf Leben spielen sie eine Rolle. „Die frühe Erde ist mit der Erde heute nicht zu vergleichen, sondern eher mit einem Exoplaneten“, sagt Som. Denn es gab keinen Sauerstoff und nur Einzeller konnten existieren. Zudem rotierte der Planet deutlich schneller als heute, die Sonneneinstrahlung war schwächer und der Mond stand ihm näher. Kürzere Tage und höhere Tiden als heute waren die Folge.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2016/ueberraschend-duenne-erdatmosphaere/