Golfstrom wird zunehmend schwächer

Wassertemperaturen und Sedimentproben belegen, dass die Umwälzströmung im Atlantik seit Beginn der Industrialisierung an Kraft verliert.

Jan Oliver Löfken

Der Golfstrom ist heute schwächer als je zuvor in den vergangenen 1500 Jahren. Zu diesem Ergebnis kommen zwei Forschergruppen durch die Analyse von Sedimentablagerungen und Temperaturmessungen im Atlantik. Eine signifikante Schwächung der atlantischen Meeresströmung könne gravierende Klimaveränderungen nach sich ziehen, betonen die Wissenschaftler in zwei Studien, die nun in der Zeitschrift „Nature“ erscheinen. Dazu zählen kältere Winter in Westeuropa, die Verschiebung von Niederschlagszonen und steigende Meeresspiegel entlang der nordamerikanischen Ostküste.

Männer auf einem Schiff heben eine Metallröhre an Bord, mit der sie Sedimentproben vom Meeresboden genommen haben

Bohren nach Sedimentproben

Besonders seit Mitte des 19. Jahrhunderts mit dem Beginn der Industrialisierung und verstärkt seit den 1950er-Jahren verlor die Umwälzströmung im Atlantik zwischen 15 bis 20 Prozent an Kraft. „Beide Perioden der Abschwächung – zum Ende der Kleinen Eiszeit und in den vergangenen Jahrzehnten – haben eines gemeinsam: Sie fielen in Zeiten der Erwärmung und der Eisschmelze“, erläutert David Thornalley vom University College London.

Abschmelzende Eismassen auf Grönland und am Nordpol beeinflussen das System der Meeresströmungen im Atlantik nachhaltig. So transportiert der Golfstrom warmes Wasser aus der Äquatorregion bis in den Atlantik vor Westeuropa. Dort gibt das Wasser seine Wärme ab und wird dadurch kälter, dichter und schwerer. Süßes Schmelzwasser aus Grönland und der Arktis verdünnt dieses stark salzhaltige Wasser. Es wird leichter und kann nicht mehr so leicht von der Oberfläche in die Tiefe absinken. Der Antrieb der atlantischen Umwälzströmung wird geschwächt.

Belege für diese Abschwächung fanden Thornalley und seine Kollegen in Ablagerungen am Meeresboden des Atlantiks. Die Sedimentproben zeigen, dass ab etwa 1850 die Größe der abgelagerten Teilchen abnahm. „Je größer die Teilchen, desto stärker die Strömung“, erklärt Thornalley den Zusammenhang. So fehlte der Strömung zum Ende der Kleinen Eiszeit offenbar die Kraft, um größere Sedimentkörner zum Meeresboden zu transportieren. Ein wichtiger Beleg für die Abschwächung der Umwälzströmung.

Landkartenansicht von Nord- und Südamerika, mit roten und blauen, geschwungenen Linien wird die Fließrichtung des Golfstroms angezeigt

Golfstrom

Unabhängig von diesem Resultat untersuchte Levke Caesar vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung mit ihren Kollegen die verfügbaren Temperaturdaten von der Meeresoberfläche des Atlantiks. „Wir haben ein spezielles Muster entdeckt – eine Abkühlung des Ozeans südlich von Grönland und eine ungewöhnliche Erwärmung vor der US-Küste“, sagt Caesar. Dieses Muster sei charakteristisch für eine Verlangsamung der Umwälzung der Wassermassen im Atlantik. Es diene praktisch als Fingerabdruck einer Abschwächung dieser Meeresströmungen.

„Wir haben alle verfügbaren Daten über die Temperatur der Meeresoberfläche analysiert, vom späten 19. Jahrhundert bis heute“, sagt Teammitglied Stefan Rahmstorf vom Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung. Sie zeigen, dass sich das Golfstromsystem seit Mitte des 20. Jahrhunderts um etwa 15 Prozent verlangsamt hat. „Die Belege, die wir jetzt haben, sind die bisher robustesten“, so Rahmstorf.

Bislang sagten vor allem Computersimulationen voraus, dass sich das Golfstromsystem als Reaktion auf die vom Menschen verursachte globale Erwärmung abschwächen wird. Doch ob dies bereits geschieht, war bisher unklar, da es keine langfristigen direkten Messreihen zu der Strömung gibt. Doch für die Erklärung der Ergebnisse beider Studien sieht Rahmstorf keine andere plausible Erklärung.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2018/golfstrom-wird-zunehmend-schwaecher/