Rasche Umpolung ist unwahrscheinlich

In den vergangenen 160 Jahren hat sich das Erdmagnetfeld zwar deutlich abgeschwächt. Das Risiko für einen baldigen Polwechsel sei aber gering, so das Fazit einer neuen Studie.

Sven Titz

Magnetfeld der Erde

NASA/Goddard Space Flight Center/Scientific Visualization Studio

Das Magnetfeld der Erde wird zwar seit 160 Jahren schwächer. Dennoch sei eine baldige Umpolung unwahrscheinlich, berichten Bruce Buffett und William Davis von der University of California in Berkeley nun im Fachjournal „Geophysical Review Letters“. Laut ihrer statistischen Analyse beträgt die Wahrscheinlichkeit, dass sich das Erdmagnetfeld innerhalb der nächsten 20 000 Jahre umkehrt, weniger als zwei Prozent. Für einen Zeitraum von 50 000 Jahren berechnete das Team eine Wahrscheinlichkeit von elf Prozent.

Für ihre Studie werteten die beiden Wissenschaftler Daten von Gesteinsproben aus. Denn der frühere Zustand des Erdmagnetfelds lässt sich beispielsweise an der Magnetisierung von vulkanischem Gestein ablesen – sofern eine Datierung der Gesteinsproben möglich ist. Die Ausrichtung des Magnetfelds zum Zeitpunkt des Erkaltens wird in solchem Gestein gespeichert. Buffett und Davis passten ein statistisches Rechenmodell an solche paläomagnetischen Daten der vergangenen zwei Millionen Jahre an. Das statistische Modell erlaubte nicht nur Aussagen über die Wahrscheinlichkeit der nächsten Umpolung. Die Autoren können auch die in den letzten 160 Jahren beobachtete Abschwächung des Erdmagnetfelds besser einordnen: Ihrer Analyse zufolge ist diese Abweichung zwar stark, bewegt sich bisher aber noch im Rahmen der Schwankungen, wie sie gemäß dem statistischen Modell vorkommen.

Das letzte Mal kam es vor 780 000 Jahren zu einem vollständigen Wechsel der Polarität. Zwischen zwei Umpolungen vergehen im Durchschnitt 200 000 bis 300 000 Jahre. Es wäre aber ein Trugschluss, daraus zu folgern, dass ein neues Ereignis überfällig ist. Denn die Umpolungen erfolgen äußerst unregelmäßig. Das Magnetfeld wird durch Strömungen flüssigen Eisens im Erdkern hervorgerufen, die wie ein Dynamo wirken. Die Strömungen im Erdinneren verändern sich mit der Zeit. Wie das vor sich geht und was genau bei einer Umpolung im Erdinnern passiert, versteht die Fachwelt noch nicht ausreichend. Auch die Gründe für die aktuelle Abschwächung des Magnetfelds sind noch unklar. All das macht konkrete Vorhersagen bisher unmöglich.

Wenn das Erdmagnetfeld weiter schwächelt und sich schließlich umkehrt, sind davon alle Lebewesen betroffen, die sich des Magnetfelds für die Navigation bedienen. Das Erdmagnetfeld schützt aber auch vor kosmischer Strahlung aus dem Weltall. Bei einer Abschwächung können Polarlichter daher in niedrigeren Breiten auftreten als sonst. Eine vollständige Umpolung würde allerdings langsam vonstatten gehen – in der Vergangenheit dauerte sie Tausende von Jahren. Selbst wenn die aktuelle Abschwächung des Magnetfelds tatsächlich eine Umpolung einleiten sollte, würde der Polwechsel also nicht über Nacht kommen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2018/rasche-umpolung-ist-unwahrscheinlich/