Winzige Erdbeben als Vorboten

Größere Erdbeben kündigen sich womöglich durch Mikrobeben an. Das zeigt die Analyse echter und künstlicher Beben mithilfe von maschinellem Lernen.

Sven Titz

Seismograf zeichnet Zitterlinien auf Papier.

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Zwischen größeren Erdbeben gibt es viele kleinere Erdbeben, die für den Menschen nicht spürbar sind. Diese Minibeben könnten Hinweise auf die physikalischen Eigenschaften der Verwerfung – also der Bruchstelle im Gestein – und vielleicht auch auf das nächste größere Beben liefern. Das zeigen nun Messdaten aus dem Labor sowie von echten Erdbeben, die zwei Teams um Claudia Hulbert und Bertrand Rouet-Leduc vom Los Alamos National Laboratory in den USA mithilfe von maschinellem Lernen auswerteten.

In ihrem Labor setzten Hulbert und ihre Kollegen zunächst Quarzpulver in einem speziellen Apparat unter Druck. Ähnlich wie in der Natur treten dabei stärkere Erschütterungen auf, die mit einem Ruck einhergehen. Doch es ließen sich auch sehr kleine Erschütterungen beobachten, bei denen sich das Pulver langsam gegeneinander verschob. Durch diese Mikrobrüche entstehen Schallwellen mit Frequenzen zwischen 0,02 und 2 Megahertz, die die Wissenschaftler mithilfe von Piezosensoren registrierten. Mit den Messdaten trainierten sie anschließend ein statistisches Modell. Dabei stellte sich heraus, dass sich der Zeitpunkt, die Dauer und die Stärke der stärkeren Laborbeben anhand der akustischen Signale vorhersagen ließen. Demnach kündigen sich größere Beben durch eine charakteristische Kaskade von Mikrobeben an.

In welchem Maße man diesen Zusammenhang auch auf die Natur übertragen kann, untersuchten die Forscher um Rouet-Leduc anhand von Erdbeben nahe Vancouver in Kanada. An der Cascadia-Verwerfung treten in unregelmäßigen Abständen sogenannte Megabeben auf, die schwere Verwüstungen hervorrufen können. In der Zeit zwischen den großen Beben sind die tektonischen Platten verhakt und bewegen sich kaum. Die Wissenschaftler analysierten nun – ebenfalls mit Methoden des Maschinenlernens – seismische Messungen sowie Daten von GPS-Stationen, die Verschiebungen in der Umgebung der Verwerfung aufzeichnen.

Die Wissenschaftler fanden auf diese Weise heraus, dass ein ständiges Zittern zu beobachten ist – ähnlich den Mikrobrüchen im Quarzpulver. Währenddessen kommt es im Gebiet der Verwerfung zu langsamen Verschiebungen. Die Stärke des Zitterns sei proportional zu der Stärke der Verschiebungen, heißt es in der Studie. Rouet-Leduc und sein Team hoffen, dass die Analyse des Zitterns neue Erkenntnisse über die physikalischen Vorgänge an der Cascadia-Verwerfung liefern kann. So ließe sich künftig beispielsweise untersuchen, ob und wie sich langsame Verschiebungen an der Verwerfung zu einem größeren Erdbeben entwickeln können. Auf diese Weise könne möglicherweise die Erdbebengefährdung in der Region besser abgeschätzt werden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2018/winzige-erdbeben-als-vorboten/