Sedimente als Schmiermittel

Durch Erosionsprozesse entstehende Sedimente könnten das Abtauchen der ozeanischen Platten in der Vergangenheit maßgeblich beeinflusst haben.

Jan Oliver Löfken

Luftaufnahme der felsigen Region des Grand Canyon

NASA/JPL-Caltech

Vor gut hundert Jahren begründete der deutsche Geowissenschaftler Alfred Wegener die für lange Zeit umstrittene Theorie zur Kontinentalverschiebung: Der Motor der Plattentektonik ist heißes Magma aus dem Erdmantel, das in mittelozeanischen Rücken aufsteigt und dabei die angrenzenden Platten auseinanderschiebt. An den Rändern der Meere tauchen die ozeanischen Platten dann unter den Kontinenten ab. In der Fachzeitschrift „Nature“ schlagen nun zwei Geophysiker ein völlig neues Modell zur Kontinentaldrift vor. Demnach sollen Erosionsprozesse an der Oberfläche entscheidend für den Beginn und den Fortgang der Plattentektonik gewesen sein. Denn die dabei entstehenden Sedimente könnten als natürliches Schmiermittel in den Subduktionszonen der abtauchenden Platten gedient haben.

Mithilfe von geologischen und geochemischen Daten entwickelten Stephan Sobolev vom Geoforschungszentrum in Potsdam und Michael Brown von der University of Maryland ihr neues Modell. „Unsere Hypothese ist kontraintuitiv“, sagt Sobolev. Denn auf den ersten Blick scheint es mehr als unwahrscheinlich, dass geologische Prozesse an der Oberfläche maßgeblichen Einfluss auf Vorgänge in der Tiefe der Erde haben könnten. Doch die Simulationen der Forscher legen diesen Schluss zumindest für die Plattentektonik in der Zeit vor 2,5 bis 3 Milliarden Jahren nahe: In diesem Zeitraum stiegen die frühen Kontinente über den Meeresspiegel an und die ersten großen Vergletscherungen fanden statt. Diese Prozesse ermöglichten nicht nur eine großflächige Erosion, sondern lieferten auch große Mengen an Sedimentmaterial, das als Schmiermittel in einer Subduktionszone dienen konnte.

Auch eine weitere Epoche vor 600 bis 700 Millionen Jahren stützt laut Sobolev und Brown ihr Modell: Denn auf großräumige Vergletscherungen folgten damals wiederum enorme Erosionsprozesse. Die dabei entstandenen Sedimente gelangten in die Ozeane und lösten als Schmiermittel eine weitere aktive Phase der Plattentektonik aus. Die beiden Geowissenschaftler sind sich bewusst, dass ihr neues Modell bislang nur eine Hypothese ist und sich weiteren Tests stellen muss, um als Theorie anerkannt zu werden. Dafür sollten etwa auch noch die Einflüsse des Klimas auf die Erosion an der Oberfläche berücksichtigt werden. Insgesamt sei die Entwicklung neuer Modelle aber nötig, um die Prozesse an der Oberfläche und tief in der Erde miteinander zu verknüpfen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2019/sedimente-als-schmiermittel/