Mikroplastik in alle Winde verstreut
Mehr als 360 Millionen Tonnen Plastik werden weltweit jährlich produziert. Ein großer Anteil davon gelangt über die Flüsse in die Weltmeere. Doch auch über die Luft werden große Plastikmengen auf dem gesamten Globus verteilt. Zu diesem Ergebnis kamen Forscher, indem sie untersuchten, wie sich Mikroplastik aus dem Straßenverkehr in der Atmosphäre verteilt. Vor allem weniger als 2,5 Mikrometer große Partikel – die im Straßenverkehr durch den Abrieb von Reifen und Bremsen entstehen – belasten mit zehntausenden Tonnen jährlich die Ozeane und die eisbedeckten Regionen an den Polen. Wie die Forscher nun im Fachblatt „Nature Communications“ berichten, könnten die meist dunklen Partikel dort sogar zu einer weiteren Erwärmung des Klimas führen.
Insgesamt entstehen pro Jahr gut 6,6 Millionen Tonnen Abrieb von Reifen und Bremsen, der neben Mikroplastik auch metallische Anteile und Ruß enthält. Freigesetzt wird er vor allem in dicht besiedelten Regionen mit hoher Verkehrsdichte, besonders in Mittel- und Nordeuropa, im Osten der USA, in Lateinamerika und in den Metropolregionen Südostasiens. Gemeinsam mit seinen Kollegen analysierte Andreas Stohl von der Universität Wien, wie sich diese Partikel in der Atmosphäre verteilen. Dafür analysierten die Forscher verfügbare Daten von Abriebwerten pro Fahrzeug und Strecke gemeinsam mit Zahlen zum Ausstoß von Kohlenstoffdioxid. Mithilfe dieser Daten ließ sich zunächst auf die gefahrenen Kilometer rückschließen und damit auch auf die Abriebmengen.
Den Abrieb selbst unterteilten die Forscher je nach Größe der Partikel in verschiedene Gruppen. Denn größere Mikroplastikpartikel fallen schnell zu Boden und werden vom Niederschlag in Kanalisation und Flüsse geschwemmt. Teilchen, die kleiner als 2,5 Mikrometer sind, werden hingegen leicht für mehrere Wochen in der Luft gehalten und über die Atmosphäre teils tausende Kilometer weit getragen. „Der Transport von Mikroplastik in der Atmosphäre ist ähnlich wichtig wie der Transport in Flüssen, vielleicht sogar noch wichtiger“, sagt Stohl. Und diese Wege durch die Atmosphäre analysierten die Forscher zusätzlich mit verfügbaren Wettermodellen.
Die Abschätzungen ergaben, dass rund ein Drittel der Abriebpartikel klein genug war, um über die Atmosphäre auf dem gesamten Globus verteilt zu werden. Bis zu 140 000 Tonnen Mikroplastikteilchen könnten so jährlich in die Ozeane gelangen. Davon lagern sich wiederum etwa 48 000 Tonnen auf schnee- und eisbedeckten Oberflächen – bevorzugt in den Polargebieten – an. „Speziell der Transport in die Arktis ist sehr bedenklich, da dort das Ökosystem sehr empfindlich ist und ohnehin bereits durch Klimawandel und andere Gifte belastet wird“, sagt Stohl. Zudem könnten die meist relativ dunklen Plastikpartikel auch die Reflexion von Sonnenlicht in diesen Regionen signifikant verringern. Das könnte laut Stohl zu einem verstärkten Abschmelzen und damit zu einer weiteren Klimaerwärmung führen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2020/mikroplastik-in-alle-winde-verstreut/