Wie der Meeresspiegel seit 1900 ansteigt

Eine neue Analyse zeigt, dass verschiedene Effekte – wie etwa die Gletscherschmelze oder Staudammbau – den Anstieg des Meeresspiegels unterschiedlich stark beeinflussen.

Jan Oliver Löfken

Die Grafik zeigt mit unterschiedlichen Farbtönen, wie sich der Meeresspiegel regional veänderte.

NASA Earth Observatory

Seit dem Jahr 1900 steigt der globale Meeresspiegel um etwa anderthalb Millimeter pro Jahr. Doch diese Zunahme von insgesamt rund zwanzig Zentimetern verlief bis heute alles andere als gleichmäßig. Ein internationales Team von Klimaforschern analysierte nun über die vergangenen 120 Jahre den Anstieg des Meeresspiegels und seine Ursachen – vom Abschmelzen der Gletscher bis hin zur thermischen Ausdehnung des Wassers. Die in der Fachzeitschrift „Nature“ veröffentlichten Ergebnisse zeigen erstmals, wie stark sich diese verschiedenen Ursachen letztendlich auf den Meeresspiegel auswirken. Damit schaffen die Wissenschaftler eine wichtige Grundlage, um den Meeresspiegel in Zukunft abzuschätzen.

Zunächst wertete Thomas Frederikse vom California Institute of Technology in Pasadena gemeinsam mit seinen Kollegen eine Vielzahl an Daten und Modellen aus. Die Forscher nutzten sowohl die über Jahrzehnte aufgezeichneten Pegelstände und Satellitenaufnahmen als auch neuere Prognosen des globalen und regionalen Anstiegs des Meeresspiegels. Den Veränderungen ordneten sie abhängig vom Jahrzehnt die jeweils relevanten Ursachen – wie Gletscherschmelze, Staudammbau, thermische Ausdehnung im Zuge der Erderwärmung und Variationen der Grundwasserspiegel – zu. Es zeigte sich, dass die Gletscherschmelze über den gesamten Analysezeitraum etwa doppelt so stark zum Anstieg des Meeresspiegels beitrug wie die thermische Ausdehnung des Wassers.

Die Analyse ergab zudem, dass während der 1940er-Jahre der Meeresspiegel überdurchschnittlich stark anstieg – um bis zu drei Millimeter pro Jahr. Verantwortlich dafür war vor allem das Abschmelzen der Inlandsgletscher und der Eismassen auf Grönland. Dagegen wurde der beschleunigte Anstieg ab Ende der 1970er-Jahre gemeinsam durch den Eisverlust auf Grönland und der Wärmeausdehnung des Wassers verursacht. Der ungewöhnlich langsame Anstieg in den 1960er- und 1970er-Jahren ließ sich mit dem Bau zahlreicher Staudämme während dieses Zeitraums erklären. Zwischen 1900 und 2003 wurden so insgesamt etwa 10 000 Kubikkilometer Wasser gestaut und konnten nicht in die Meere fließen – das entspricht insgesamt einem Absinken des Meeresspiegels um etwa 26 Millimeter.

„Die Summe aller bekannten Prozesse erklärt den beobachteten Anstieg des Meeresspiegels sehr gut“, so Frederikse. Das gelte sowohl für die gesamten Weltmeere als auch für einzelne Regionen. Nur den geringen Anstieg in den 1920er-Jahren können die Forscher bislang noch nicht eindeutig erklären. Die Datenlage sei schlicht zu dünn, so Frederikse und seine Kollegen. Denn in dieser Zeit wurden nur sehr wenige Pegelstände an ausgewählten Orten wie etwa Amsterdam oder Brest aufgezeichnet. Dennoch zeigt die Studie, dass die Forscher alle Prozesse kennen, die zu einem Anstieg des Meeresspiegels führen und für zukünftige Prognosen beachtet werden sollten.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2020/wie-der-meeresspiegel-seit-1900-ansteigt/