Die Belüftung der Ozeane

Mit einem neuen Modell zeigen Forscher, wie stark die Verschiebung der Kontinente den Sauerstoffgehalt der Meere beeinflusste.

Jan Oliver Löfken

Die Aufnahme zeigt den Horizont, in der unteren Hälfte befindet sich Wasser, darüber Luft mit Wolken.

Dmitry Bezrukov/iStock

Stetig nehmen die Ozeane auf der Erde Sauerstoff aus der Atmosphäre auf und schaffen so einen Lebensraum für viele Wasserbewohner. Diesen einfachen Prozess nutzen Forscher in Klimamodellen, um den Sauerstoffgehalt der Meere abzuschätzen. Doch vor allem in der Tiefsee greift die Erklärung zu kurz, wie eine Forschergruppe mit einem neuen Modell nun zeigt. Denn auch die Verschiebung der Kontinente innerhalb der letzten 540 Millionen Jahre hat den Transport von Sauerstoff in tiefere Wasserschichten wesentlich beeinflusst, berichten die Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Nature“.

Der Sauerstoffgehalt prägt den Lebensraum der Meere seit Jahrmillionen: Während ein Mangel an Sauerstoff in der Erdgeschichte zu einem drastischen Rückgang der Arten führte, förderte eine gute Versorgung mit Sauerstoff dagegen eine enorme Vielfalt an Meeresbewohnern. Alexandre Pohl von der Universität Bourgogne Franche-Comté in Frankreich und seine Kollegen wollten nun mögliche Einflüsse auf den Sauerstoffgehalt der Ozeane untersuchen. Dazu nutzen sie ein Modell, in dem sie den Sauerstoffanteil in der Atmosphäre auf einem konstanten Niveau hielten. Zudem modellierten die Wissenschaftler den Transport von Sauerstoff innerhalb der Meere über einen Zeitraum von 540 Millionen Jahren. Denn auf dieser Zeitskala veränderten die Kontinente aufgrund der Plattentektonik ihre Positionen, was sich deutlich auf die Meeresströmungen und damit auch auf den Sauerstofftransport auswirkte.

Bislang ist man davon ausgegangen, dass der Sauerstoffgehalt der Ozeane vor allem durch den Sauerstoffgehalt der Atmosphäre bestimmt wurde und sich daher in dem Modell der Forscher nicht wesentlich verändern sollte. Doch die neuen Berechnungen zeigen, dass der Einfluss der Meeresströmungen viel stärker war als bisher angenommen. So fanden Pohl und seine Kollegen heraus, dass etwa vor 540 bis 460 Millionen Jahren in der Tiefsee ein Mangel an Sauerstoff herrschte. Vor 420 Millionen Jahren änderte sich diese Situation laut den Simulationen der Forscher jedoch und das Gas gelangte über einen verstärkten Austausch zwischen oberen und tiefen Wasserschichten auch in die Tiefsee. Ein deutlicher Anstieg der Artenvielfalt war die Folge.

Um die Sauerstoffkonzentration in den Meeren im Laufe der Erdgeschichte exakt zu bestimmen, ist das Modell zwar zu stark vereinfacht. Doch es zeigt deutlich, dass die Plattentektonik den Sauerstoffgehalt in größeren Wassertiefen wesentlich beeinflusste. Damit belegen die Forscher, dass der Sauerstofftransport in den Ozeanen über viel komplexere Prozesse abläuft als bisher angenommen und in zukünftigen Modellen stärker berücksichtigt werden sollte. So könnten beispielsweise Bohrkerne aus Sedimenten der Meere genauer analysiert werden und einen besseren Einblick in die Entwicklung des Klimas und die Lebensbedingungen im Laufe der Erdgeschichte ermöglichen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2022/plattentektonik-die-belueftung-der-ozeane/