Regenwald verliert seine Selbstheilungskräfte
Der Amazonasregenwald ist nicht nur einer der wichtigsten Spender von Sauerstoff, auch für zahlreiche Arten bildet er ein einzigartiges Refugium und spielt für die Biodiversität eine entscheidende Rolle. Doch das rund sechs Millionen Quadratkilometer große Ökosystem leidet inzwischen immer stärker – nicht nur unter der intensiven Nutzung durch den Menschen, sondern auch unter dem Klimawandel. Klimaforscher warnen nun in der Fachzeitschrift „Nature Climate Change“, dass die Widerstandskraft des tropischen Regenwaldes, auch Resilienz genannt, in den vergangenen beiden Jahrzehnten sehr gelitten habe und etwa drei Viertel der Waldfläche davon betroffen seien.
In den Grünpflanzen im Amazonasregenwald sind gigantische Mengen von Kohlenstoff als Biomasse gespeichert, da die Pflanzen für die Photosynthese tagsüber Kohlendioxid aufnehmen. Nachts erzeugen die Pflanzen dann ihre Energie, indem sie Kohlenhydrate und Sauerstoff verbrauchen und wieder Kohlendioxid freisetzen. Wenn sich allerdings bestimmte äußere Faktoren ändern, kann die Effizienz der Photosynthese sinken – im Extremfall kann dadurch von den Pflanzen sogar mehr CO2 abgegeben als aufgenommen werden. Das passierte bereits in den Dürrejahren zwischen 2005 und 2010, in denen sich die Tropenregion kurzfristig von einer CO2-Senke in eine CO2-Quelle verwandelte.
Diese schwindende Resilienz haben nun Chris Boulton von der University of Exeter in England und zwei weitere Klimaforscher genauer untersucht. Da die Resilienz des Amazonasregenwaldes bislang nur mit Modellberechnungen abgeschätzt wurde, analysierten die Forscher stattdessen Vegetations- und Niederschlagsdaten des Regenwalds. Dafür verwendeten sie Daten, die zwischen den Jahren 1991 und 2016 von verschiedenen Erdbeobachtungssatelliten gesammelt wurden. Die Analyse der Datensätze ergab, dass sich die Vegetation nach Flächenbränden oder Dürrephasen immer langsamer und schlechter regeneriert. Von dieser Destabilisierung des Ökosystems sind vor allem relativ trockene Regionen und Flächen in der Nähe menschlicher Infrastruktur besonders stark betroffen.
„Das bestätigt, dass eine Begrenzung der Abholzung und auch eine Reduktion der Treibhausgasemissionen zum Schutz des Amazonas nötig sind“, so der beteiligte Klimaforscher Tim Lenton. Zusätzlich ist eine schrumpfende Resilienz ein wichtiger Indikator für einen drohenden Verlust des Regenwaldes. „Jedoch können wir nicht sagen, wann dieser mögliche Wandel vom Regenwald zur Savanne eintreten wird", sagt Niklas Boers vom Potsdam Institut für Klimafolgenforschung. „Doch wenn sich das beobachten lässt, wird es wahrscheinlich zu spät sein, um es noch zu verhindern.“ So liefert diese Studie Hinweise, dass aufgrund des Klimawandels auch im Amazonasregenwald ein Kipppunkt erreicht werden könne – also eine nicht mehr umkehrbare Entwicklung des Ökosystems wie beispielsweise das vollständige Abschmelzen der Arktis oder das Auftauen der Permafrostböden.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2022/regenwald-verliert-seine-selbstheilungskraefte/