Unter Vulkanen kühler als gedacht
Island, das Galapagosarchipel und die Kanaren – all diese Inseln haben einen vulkanischen Ursprung, wie der jüngste Ausbruch auf La Palma eindrucksvoll unter Beweis stellte. Unter ihnen befinden sich heiße Bereiche in den Kontinentalplatten, zu denen breite Schlote tief in den Erdmantel hinabreichen. Doch die Temperaturen in diesen sogenannten Hotspots unterscheiden sich stärker und sind teils deutlich geringer als bisher angenommen, wie Geophysiker in einer Studie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten.
In den hunderte Kilometer tiefen Schloten der Hotspots steigt heißes Gestein, das Magma, zur Erdkruste auf. Wie heiß die Hotspots sind, lässt sich jedoch nicht direkt messen. Daher bedienten sich Xiyuan Bao von der University of California in Los Angeles und seine Kollegen einer ausgeklügelten Modellrechnung. Darin bezogen sie zahlreiche Messungen sogenannter seismischer Wellen in 260 bis 600 Kilometer Tiefe ein. Solche Wellen werden durch Erdbeben ausgelöst und breiten sich durch das Gestein im Erdinnern aus. Da sie sich umso schneller ausbreiten, je kälter es ist, ließen sich so die Temperaturen in den Hotspots bestimmen.
Diese Rechnungen zeigten bei den Dutzenden untersuchten Hotspots ein breites Spektrum verschiedener Temperaturen, die von 1400 bis 1800 Grad Celsius reichten. Am unteren Ende dieses Temperaturbereichs sind Hotspots wie etwa unter der Insel Ascension mitten im Südatlantik anzusiedeln. Sie zählen damit zur Gruppe kalter Hotspots. Sankt Helena oder die Kanarischen Inseln ordneten die Forscher den warmen Hotspots mit Temperaturen um 1500 Grad Celsius zu. Über heißen Hotspots mit Temperaturen von über 1600 Grad Celsius befinden sich Island, die Galapagosinseln oder auch Hawaii.
Aus den unterschiedlichen Temperaturen des heißen Gesteins können die Forscher nun Rückschlüsse auf die vulkanische Aktivität ziehen. Denn je heißer ein Gestein ist, desto stärker steigt es im Erdmantel nach oben. Überrascht waren die Forscher außerdem über die niedrigen Temperaturen der kalten Hotspots. Denn diese lassen sich nicht mit den bisherigen Modellen von Hotspot-Vulkanen erklären. Die Geophysiker halten es für möglich, dass die Schlote kälterer Hotspots nicht wie bisher angenommen bis zu 2900 Kilometer tief in den Erdmantel reichen, sondern einen einige hundert Kilometer weniger tiefen Ursprung – etwa im oberen Erdmantel – haben. Auch kleinere, bisher nicht belegte Konvektionsströmungen, die auf das Gestein etwa wie eine kühlende Umwälzpumpe wirken, halten die Forscher für möglich.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2022/unter-vulkanen-kuehler-als-gedacht/