Die Sterne am Nachthimmel verschwinden

Die zunehmende Lichtverschmutzung beeinträchtigt astronomische Beobachtungen stärker als bislang vermutet.

Rainer Kayser

Verlauf eines Nachthimmels: Links ist ein dunkler Nachthimmel über einem Wald zu sehen, in der Mittel ein etwas hellerer Himmel über leicht besiedelter Gegend, rechts eine Großstadt mit hell erleuchtetem Nachthimmel

NOIRLab/NSF/AURA, P. Marenfeld

Beobachtungen von Hobbyforschern auf der ganzen Welt zeigen einen dramatischen Trend: Die Lichtverschmutzung – also das Aufhellen des nächtlichen Himmels durch künstliche Lichtquellen – nimmt pro Jahr im Mittel um 9,6 Prozent zu. Das zeigt nun die Analyse von Daten, die im Rahmen eines Forschungsprojekts von Laien zwischen den Jahren 2011 und 2022 gesammelt wurden. Das übersteigt deutlich die von Erdbeobachtungssatelliten gemessenen Werte. Wie ein Forscherteam aus Deutschland und den USA im Fachblatt „Science“ berichtet, ist die unerwartete Zunahme vermutlich durch LED-Lichtquellen begründet.

Christopher Kyba vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam und seine Kollegen haben insgesamt 51 351 Messungen von Hobbyforschern ausgewertet. Im Rahmen des Projekts „Globe at Night“ haben die Teilnehmer durch einen Vergleich des Nachthimmels mit Sternkarten angegeben, welche Sterne von ihrem Standort aus gerade noch sichtbar waren. Das Ergebnis war für die Forscher eine unangenehme Überraschung: In Europa nimmt die Lichtverschmutzung pro Jahr im Mittel um 6,5 Prozent zu, Spitzenreiter ist Nordamerika mit 10,4 Prozent.

Zwei Luftaufnahmen der gleichen Stadt: Das Foto oben von 2010 zeigt eine überwiegend gelbliche Beleuchtung, das Foto unten von 2021 vor allem weiße Lichtquellen

Lichtverschmutzung 2010 und 2021

„Innerhalb von 18 Jahren bedeuten die Ergebnisse hochgerechnet einen Anstieg der Himmelshelligkeit um mehr als das Vierfache“, schreiben Christopher Kyba vom Deutschen Geoforschungszentrum in Potsdam und seine Kollegen. „Wenn an einem bestimmten Ort am Anfang dieser Periode noch 250 Sterne mit bloßen Augen sichtbar waren, dann sind es am Ende des Zeitraums nur noch 100.“ Zum Vergleich: An einem Ort ohne künstliche Lichtquellen sind mit bloßen Augen etwa 3000 Sterne am Firmament sichtbar. Damit lassen sich auch lichtschwächere Objekte im Fernrohr immer schwerer beobachten – eine Beeinträchtigung sowohl für Hobby- also auch für professionelle Astronomen.

Die Lichtverschmutzung ist damit deutlich schlimmer, als Kyba und seine Kollegen auf Basis von Satellitenmessungen eigentlich erwartet haben. Denn diese zeigen eine jährliche Zunahme der künstlichen Beleuchtung um etwa zwei Prozent. Bislang sind die Forscher davon ausgegangen, dass die Lichtverschmutzung im gleichen Maß zunimmt – doch das war ein Irrtum. Verantwortlich dafür sind nach Ansicht der Forscher vor allem zwei Effekte: Zum einen die Zunahme von LED-Lichtquellen. Denn weiße LED-Lampen strahlen Licht in einem Wellenlängenbereich ab, den die Sensoren der Erdbeobachtungssatelliten derzeit nicht erfassen können. Zum anderen tragen horizontal abstrahlende Leuchtkörper wie Werbetafeln oder dekorative Beleuchtungen von Gebäuden stärker zur Lichtverschmutzung bei als etwa die Straßenbeleuchtung – werden jedoch von den Satelliten schlechter erfasst.

„Die Unterschiede zwischen den Satelliten-Messungen und den Beobachtungen vom Erdboden aus lassen sich also vermutlich durch die Veränderungen in Art und Anwendung der künstlichen Beleuchtung erklären“, so die Forscher. Gerade die Nutzung der energetisch nachhaltigeren LED-Lampen führe also letztlich zu einer rapiden Abnahme der Sichtbarkeit von Sternen, folgern Kyba und seine Kollegen. Und die bisherigen Bemühungen, die Lichtverschmutzung einzudämmen – etwa durch die International Dark-Sky Association – zeigen keine sichtbaren Erfolge. Immer weniger Menschen auf der Erde haben somit noch die Chance, mehr als nur die hellsten Sterne am Nachthimmel zu sehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/lichtverschmutzung-die-sterne-am-nachthimmel-verschwinden/