Neuer Uferschutz durch Hohlräume

Simulationen am Computer und Laborexperimente zeigen: Geschickt designte Buchten an Ufern können Wellen auslöschen und so Erosionen an Küsten verhindern.

Jan Oliver Löfken

Mit Bäumen bewachsenes Ufer eines Flusses

Iuliia Leonteva/iStock

Wenn Wellen an die Ufer von Flüssen und Deiche der Meere preschen, tragen sie dort ständig Material ab. Um große Schäden dadurch zu verhindern, schützen massive Wellenbrecher die Küsten. Eine andere Methode schlagen nun Forschende vor: Indem sie Wellen am Computer simulierten, entdeckten sie, dass kleine Hohlräume am Ufer zur Auslöschung von Wellen führen können. Wie sie in der Fachzeitschrift „Physical Review Letters“ berichten, konnten sie diesen Effekt für einen Wellenschutz auch in einem Laborexperiment nachweisen.

Für ihr neues Konzept simulierten Agnes Maurel vom Institut Langevin der Université PSL in Paris und ihr Team zunächst in Computerberechnungen, wie sich Wellen in Kanälen und Flüssen bewegen. Dass sich Wellen auslöschen, wenn jeweils ein Wellenberg auf ein Wellental trifft, brachte das Team auf die Idee eines neuartigen Uferschutzes. Sie berechneten, dass zwei Hohlräume am Rand eines Kanals dazu führen, dass die Wellenbewegung vollständig erlischt. Denn dann fließt Wasser in die Hohlräume, wird an den Wänden reflektiert und fließt zurück – und zwar gerade so, dass die Phasen der Wellen genau gegenläufig sind. So treffen Wellenberge auf Wellentäler und löschen sich somit gegenseitig aus.

Von der Simulation in die Praxis

Ihre Simulationen unterzogen die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler anschließend dem Praxistext: Sie bauten einen knapp anderthalb Meter langen, sechs Zentimeter breiten und fünf Zentimeter tiefen Wasserkanal. An einem Rand dieses Kanals ergänzten sie zwei direkt nebeneinanderliegende Hohlräume mit drei bis vier Zentimeter breiten Buchten. An einem Ende des Kanals erzeugten sie jede Drittelsekunde eine Welle, die sich dann durch den Kanal ausbreitete.

Und tatsächlich: Die Forschenden stellten fest, dass sich die Wellen an den Buchten abschwächten. Ganz verschwanden sie jedoch nicht. Deshalb variierten Maurel und ihr Team die Größe der Hohlräume etwas, sodass sich die Wellen vollständig eliminieren ließen. Diese Abweichung von der Modellrechnung zum Experiment begründeten die Forschenden mit Reibungseffekten, die in der Simulation vernachlässigt worden waren.

Auf der Grundlage ihrer Berechnungen und Experimente könnten im nächsten Schritt auch Hohlräume entlang von Flüssen und Küsten erprobt werden. Wenn man die Größenordnung der Buchten an die Frequenz der Wellen anpasse, sollte auch eine Auslöschung der Wellenbewegung zu beobachten sein, so Maurel. Ein Problem ergibt sich jedoch: Denn in der Natur ändern sich die Frequenzen der Wasserwellen etwa abhängig von den Windverhältnissen. Vorstellbar wären dann Hohlräume, deren Dimensionen sich über verfahrbare Wände an die jeweiligen Frequenzen der Wellen anpassen ließen. Pilotversuche müssten dann zeigen, ob die neue Methode, Wellen auszulöschen, tatsächlich geeignet sei, um Ufer vor Erosion zu schützen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2023/wellen-neuer-uferschutz-durch-hohlraeume/