Eisfreie Arktis rückt näher
Aktuell erstreckt sich noch eine riesige Eisfläche über den Arktischen Ozean. Im Winter sind es knapp 15 Millionen Quadratkilometer, bis zum Spätsommer schrumpft die Fläche dann auf gut ein Viertel. Das alljährliche Abschmelzen könnte jedoch mit der Erderwärmung so stark zunehmen, dass unter besonders kritischen Bedingungen bereits im Sommer 2027 mit einem ersten eisfreien Tag zu rechnen wäre. Zu diesem Ergebnis, heute veröffentlicht in der Fachzeitschrift „Nature Communications“, kommen zwei Klimaforscherinnen auf der Grundlage hunderter Klimasimulationen.
Gemeinsam mit ihrer Kollegin Céline Heuzé von der schwedischen Universität Göteborg analysierte Alexandra Jahn von der University of Colorado das arktische Meereis mit Klimamodellen. Dazu zogen die Forscherinnen elf etablierte, aber unterschiedliche Modelle heran. Insgesamt ergaben sich daraus 366 Szenarien, wie sich der arktische Eisschild entwickeln könnte, die Jahn und Heuzé anschließend auswerteten. Im Unterschied zu früheren Studien, die sich auf einen kompletten eisfreien Monat fokussierten, untersuchten sie erstmals, wann es zu einem einzelnen eisfreien Tag kommen könnte. Denn, so Jahn: „Der erste eisfreie Tag in der Arktis wird zeigen, wie wir die natürliche Umgebung des Arktischen Ozeans fundamental verändert haben.“
Wobei der Arktische Ozean bereits als „eisfrei“ gilt, wenn weniger als eine Million Quadratkilometer des Meers mit Eis bedeckt sind. Das hat sich im Vergleich zum vollständigen Verschwinden des Meereises als sinnvollere Definition erwiesen. Denn dickes Meereis würde noch für Jahrzehnte im Norden Grönlands und nördlich von Kanada existieren, selbst wenn der Großteil des Arktischen Ozeans längst offenes Wasser wäre.
Überschreiten der 1,5-Grad-Marke maßgeblich
Aus den Berechnungen ergaben sich verschiedene Prognosen: Laut den meisten von ihnen ist der erste eisfreie Tag in den 2030er- oder 2040er-Jahren zu erwarten. Aber immerhin neun Simulationen ergaben, dass bereits in drei bis sechs Jahren, also noch in diesem Jahrzehnt, die arktische Eisfläche für mindestens einen Tag weitestgehend geschmolzen sein könnte. Aus heutiger Sicht ist das zwar möglich, aber noch ein Extremszenario. Es würde eintreten, wenn zuvor über mindestens drei Jahre sowohl Herbst, Winter als auch Frühling ungewöhnlich warm sind. Dann würde sich im Winter sehr wenig neues Meereis bilden können.
Jahn und Heuzé sehen in ihrer Analyse aber auch, dass das arktische Meereis nicht zwangsläufig komplett abschmelzen muss. So treten eisfreie Tage in allen Simulationen nur auf, wenn die globale Durchschnittstemperatur mindestens fünf Jahre hintereinander über der 1,5-Grad-Schwelle liegt. Auch wenn sie für das Jahr 2024 erstmals überschritten wurde, muss das nicht unbedingt auch in den folgenden Jahren geschehen. „Jede Reduktion der Treibhausgaseemissionen hilft, das Meereis zu bewahren“, sagt Jahn.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2024/meereis-eisfreie-arktis-rueckt-naeher/