Flüsse im Wandel
Flüsse sind die Lebensadern der Erde – sie transportieren Wasser, Fische und Nährstoffe für Ackerböden. Jeden Tag strömen gut 100 Billionen Liter Wasser aus den fast drei Millionen Flussläufen der Erde in die Meere. Doch wie viel Wasser wie schnell von der Quelle bis zu Mündung eines Flusses fließt, ist nur punktuell bekannt. Diese Wissenslücke konnten nun zwei Forschende mit Satellitendaten und Strömungsmodellen schließen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, veränderte sich weltweit das Strömungsverhalten seit Mitte der 1980er Jahre deutlich – allerdings keineswegs einheitlich.
„Flüsse reagieren auf viele Faktoren wie den Klimawandel und menschliche Eingriffe unterschiedlich“, sagt Dongmei Feng von der University of Cincinnati. Deshalb analysierte sie gemeinsam mit ihrem Kollegen Colin Gleason von der University of Massachusetts in Amherst, wie sich das Strömungsverhalten der Flüsse über Abermillionen Kilometer von den Quellen bis zu den Mündungen verändert hat. Verfügbare Satellitendaten aus dem Zeitraum zwischen 1984 und 2018 verknüpften sie hierzu mit Modellen.
Wie sich zeigte, stimmten die Daten gut mit Messungen der weltweit 15 000 Pegelstationen überein. Weiterhin erkannten Feng und Gleason zwei deutliche Trends: So nahm die Wassermenge nahe der Mündungen von fast der Hälfte der großen Ströme wie Nil, Ganges oder Amazonas ab – ebenso wie bei zehn Prozent der kleineren Flüsse. Dagegen strömte in 17 Prozent der Oberläufe kleinerer Flüsse deutlich mehr Wasser – vor allem in der Nähe von Gebirgen. Gründe hierfür sind, dass dort mehr Schnee schmilzt und die Niederschläge in Bergregionen wie den Alpen, dem Himalaya oder den Rocky Mountains stärker sind.
Änderungen mit gravierenden Auswirkungen
Ebenso vielfältig wie diese Veränderungen sind auch ihre Folgen: Schwindende Wassermengen bedrohen entlang der großen Flüsse die Versorgung mit Trinkwasser sowie die Fischerei und den Ackerbau. Zudem kann bei steigendem Meeresspiegel Salzwasser aus dem Meer leichter in Richtung der Mündungen vordringen. Stärkere Strömungen in den Oberläufen kleinerer Flüsse erhöhen dagegen das Risiko für Überflutungen. So müsse man laut Feng und Gleason entlang dieser Flüsse heute mit 42 Prozent mehr „Jahrhunderthochwassern“ rechnen als in den 1980er Jahren.
Das hat auch weitere Folgen – positive wie negative. Denn Flüsse transportieren mit ihrem Wasser auch Sedimente und Nährstoffe. Ändert sich das Strömungsverhalten, vergrößert das etwa im Oberlauf des Amazonas den Lebensraum von wandernden Fischarten. Reißen die Wassermengen jedoch mehr Sand und Geröll mit sich, lagern sich auch mehr Sedimente ab – beispielsweise an Staumauern. Das gefährdet den Betrieb und die Effizienz von Wasserkraftwerken. Feng und Gleason hoffen daher, dass ihre Analyse dazu beiträgt, die Infrastruktur vom Deich bis zum Kraftwerk besser zu planen und zu schützen.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2024/stroemungsverhalten-fluesse-im-wandel/