Schneefall durch Industrieabgase

Abgase von Industrieanlagen verschmutzen nicht nur die Luft, sondern führen auch zu mehr Eiskristallen in den vorüberziehenden Wolken.

Jan Oliver Löfken

Das Foto zeigt insgesamt acht Schornsteine, aus denen viel Dampf austritt. Der Rauch zieht nach oben und etwas nach links. Im Hintergrund ist ein Hügel, davor befinden sich noch weitere Schornsteine.

Максим Шмаков/iStock

Industrieabgase verschmutzen nicht nur die Luft, sondern können es in der Nähe der Anlagen auch schneien lassen. Wie genau dieser Industrieschnee entsteht, untersuchte nun eine Forschungsgruppe im Detail. Wie die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler in der Fachzeitschrift „Science“ berichten, spielen dabei Kondensationskeime in den Abgasen eine zentrale Rolle. Diese führen in unterkühlten Wolken über den Industrieanlagen dazu, dass sich immer mehr Eiskristalle bilden und als Schneeflocken zu Boden fallen.

Velle Toll von der Universität Tartu in Estland betrachtete gemeinsam mit seinem Team die Abgase von insgesamt 67 Industrieanlagen in Russland und Kanada – darunter insbesondere Zementwerke, Stahl- und Kupferhütten sowie Kohlekraftwerke. Mithilfe der NASA-Satelliten Terra und Aqua beobachteten sie, wie sich Eiskristalle in den Abgasschwaden der Anlagen bildeten. Durch die Analyse der Daten ließ sich im Zeitraum zwischen 2000 und 2021 vor allem in den kalten Monaten zwischen November und Februar ein ungewöhnlicher Schneefall in der Nähe der meisten Anlagen nachweisen.

Partikel in den Abgasen dienen als Kondensationskeime

Dreiteilige Grafik. Das obere Bild zeigt eine Satellitenaufnahme, auf der man erkennen kann, dass sich in der Nähe einer Fabrik, die als Punkt gekennzeichnet ist, Wolken bilden. Auf dem mittleren Bild ist ein Satellit zu sehen, der in Verbindung mit einer auf der Erde stehenden Wetterradarstation, die sich in der Nähe einer Fabrik befindet. Auch hier ist zu erkennen, dass sich hinter einer dargestellten Fabrik weniger Wolken befinden. Das untere Schema zeigt auf einem Radarbild, dass ein durch rote Flächen gekennzeichnetes Schneefallgebiet in der Nähe einer Fabrik.

Industrielle Luftverschmutzung

Der Schneefall von bis zu 15 Millimeter pro Tag erstreckte sich über Dutzende Kilometer entlang der Abgasfahne der Industrieanlagen. Dabei wehten zunächst feuchte, noch nicht verschmutzte Wolken über die Anlagen. Gelangten Partikel aus Metalloxiden, Sulfaten oder Silikaten mit den Abgasen über den Anlagen in die Wolken, dienten diese als Kondensationskeime und Wassermoleküle sammelten sich daran an. Bei kalten Temperaturen zwischen minus zehn und minus 24 Grad Celsius bildeten sich dadurch immer größere Eiskristalle, die dann als Schneeflocken zu Boden fielen. Aufgrund des frostigen Niederschlags lösten sich die Wolken entlang der Abgasschwaden etwas auf und die Wolkendichte nahm um gut acht Prozent ab.

Zur Überraschung der Forschenden bildete sich auch in den feuchten, aber wenig verschmutzten Abgasen von vier Kernkraftwerken solcher Industrieschnee. Da durch die Abgase von Atomkraftwerken eigentlich nur wenig Kondensationskeime in die Atmosphäre gelangen, vermuten Toll und sein Team bisher noch unbekannte Prozesse als Ursache für die Eiskristalle und Schneeflocken. Vom Wind aufgewirbelte Partikel aus der Umgebung der Anlagen könnten dabei zum Beispiel eine Rolle spielen.

Diese Studie liefert neue Hinweise darauf, wie sich Niederschläge und Wolken in der Nähe von Industrieanlagen entwickeln. Damit könnten sowohl lokale Wettervorhersagen optimiert als auch der Einfluss der Wolken auf UV- und Infrarotstrahlung genauer analysiert werden. Zudem sollen weitere Analysen folgen, um die Ursache des Industrieschnees bei Atomkraftwerken zu erklären.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2024/wetter-schneefall-durch-industrieabgase/