Der Boden unter dem Aralsee hebt sich

Der enorme Wasserverlust des Aralsees wirkt sich auch auf Prozesse im Erdmantel aus.

Jan Oliver Löfken

Luftaufnahme des Aralsees: Nur noch an wenigen Stellen des kompletten Areals, das der Aralsee vormals eingenommen hat, befindet sich tatsächlich Wasser.

contains modified Copernicus Sentinel data (2025), processed by ESA

Vor rund 70 Jahren war der Aralsee zwischen Kasachstan und Usbekistan noch der viertgrößte See der Welt. Doch seit den 1950er-Jahren wurden große Zuflüsse für die Bewässerung vor allem von Baumwollfeldern umgeleitet. Seitdem trocknete der Aralsee, der einst etwa so groß war wie Bayern, bis auf ein Zehntel seiner ursprünglichen Fläche aus. Nicht nur die ehemalige Seefläche und die Umgebung werden dadurch immer mehr zu einer Wüste. Der Wasserschwund wirkt sich sogar bis tief in die Erde auf Prozesse im Erdmantel aus, wie ein Forschungsteam nun mit einer Studie im Fachblatt „Nature Geoscience“ zeigt.

Auch wenn der Aralsee mit einem Wasserspiegel von gut 50 Metern nie besonders tief war, summierten sich die Wassermengen einst auf rund tausend Kubikkilometer – das sind eine Billion Tonnen Wasser. Das Team um die Geophysikerin Wenzhi Fan von der Universität Peking untersuchte nun die Höhe des ehemaligen Seebodens genauer. Messungen mit dem europäischen Radarsatelliten Sentinel-1 zeigen, dass sich der Boden zwischen 2016 und 2020 um bis zu sieben Millimeter pro Jahr anhob. Verantwortlich dafür ist die fehlende Wasserlast.

Mantelgestein strömt unter den Aralsee

Aufbauend auf diesen Daten simulierten Wenzhi Fan und ihr Team die Dynamik im Untergrund unter dem Aralsee. Mithilfe von geophysikalischen Modellen analysierten sie das Verhalten der heißen und zähflüssigen Mantelgesteine in 130 bis 190 Kilometer Tiefe. Dabei zeigte sich: Ohne die Wasserlast strömt Mantelgestein von den Seiten unter den Boden des Aralsees und hebt die darauf lagernde, feste Erdkruste in die Höhe. Dieser langsame Prozess wird wahrscheinlich noch viele Jahrzehnte anhalten.

Noch gibt es zwischen den Messungen und dem Modell allerdings einige Abweichungen. Auch den Einfluss des sich verändernden Grundwasserspiegels konnten die Forschenden noch nicht eindeutig klären. So liefert das Austrocknen des Aralsees für Geophysikerinnen und Geophysiker eine gute Möglichkeit, ihre Modelle zu optimieren, um Prozesse im oberen Erdmantel noch besser zu verstehen. Auf alle Fälle ist der Aralsee ein Beispiel dafür, dass sich menschliche Aktivitäten auch auf extrem langsame geologische Vorgänge auswirken können. Das ist neben den Folgen des Klimawandels ein weiteres starkes Argument für den Beginn einer neuen, vom Menschen eingeleiteten, aber noch umstrittenen Epoche der Erdgeschichte – dem Anthropozän.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2025/erdmantel-der-boden-unter-dem-aralsee-hebt-sich/