Kollabiert der Golfstrom?

Die arktische Wirbelströmung könnte sich im Zuge des Klimawandels drastisch abschwächen – ein Risiko für den Golfstrom?

Jan Oliver Löfken

Eisschollen auf dem Meer

Alfred-Wegener-Institut / Stefan Hendricks

Jede Sekunde transportiert der Golfstrom bis zu 30 Millionen Kubikmeter warmes Wasser vom Golf von Mexiko in Richtung Norden – und sorgt so für ein relativ warmes und gemäßigtes Klima in Europa. Doch im Zuge der Erderwärmung droht diese Strömung schwächer zu werden, womöglich sogar bis zum Ende des Jahrhunderts zu kollabieren. Wie sich das Strömungssystem namens Atlantische Meridionale Umwälzzirkulation – kurz AMOC, von dem der Golfstrom ein Teil ist, entwickeln wird, ist allerdings umstritten. Nun liefert ein Forschungsteam neue Indizien für einen Kollaps oder zumindest eine starke Abschwächung des gesamten Systems, wie sie im Fachblatt „Journal of Geophysical Research Oceans“ berichten.

Viele Faktoren treiben die AMOC und damit auch den Golfstrom an – der Wind, die Gezeiten, die Corioliskraft, besonders aber eine spezielle Dynamik im Atlantik: Das salzige, warme Wasser aus dem Süden kühlt im Nordatlantik ab. Es ist jedoch dichter als salzärmeres Wasser und sinkt daher in tiefere Schichten ab. Entlang des Meeresbodens strömt es dann wieder zurück in Richtung Süden. Doch mit der zunehmenden Eisschmelze in der Arktis gelangt mehr Süßwasser in den Ozean. Dadurch sinkt der Salzgehalt und mit ihm die Dichte des Wassers. Das nun leichtere Wasser sinkt nicht mehr so gut in die Tiefe ab, wo es zurückströmen kann – der Strömungskreislauf wird schwächer.

Droht dem Strömungssystem ein Kipppunkt?

Ein Forschungsteam um Marylou Athanase vom Alfred-Wegener-Institut in Bremerhaven betrachtete nun eine Quelle für das zusätzliche Süßwasser genauer: Den Beaufort Gyre, eine Wirbelströmung nördlich von Alaska. Mithilfe mehrerer Klimamodelle analysierten die Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler dessen aktuelle und zukünftige Entwicklung.

Dabei kamen sie zu dem Ergebnis: Da immer mehr Eis in der Arktis schmilzt, nahm der Anteil an Süßwasser in der Beaufort-See in den vergangenen zwei Jahrzehnten bereits um 40 Prozent zu. Gleichzeitig wurden die schwimmenden Eisschichten im Arktischen Ozean dünner, wodurch mehr Wärme aus der Atmosphäre in das Wasser gelangte und es aufheizte. Das wiederum beschleunigt die Eisschmelze – ein gefährlicher und sich selbst verstärkender Kreislauf.

„Wenn die Emissionen an Treibhausgasen nicht sehr schnell sinken, dann wird sich die Beaufort-Wirbelströmung abschwächen und noch mehr Süßwasser freisetzen“, erläutert Marylou Athanase. Gelangt dieses Süßwasser in den Nordatlantik, schwächt es die AMOC und damit auch den Golfstrom. Die Forschenden um Athanase halten es sogar für möglich, dass so ein Kipppunkt erreicht wird. Jenseits dieses Kipppunkts wäre eine Erholung, also ein Wiedererstarken der AMOC-Strömungen, nicht mehr möglich.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/erde/nachrichten/2025/meeresstroemungen-amoc-kollabiert-der-golfstrom/