Kraftvoll durch Rekordbeschleunigung: Wie Quallen ihre Beute durchbohren
Mit enormer Wucht schleudern Quallen ihre Nesselfäden auf ihre Opfer. Wie Heidelberger Forscher in der Fachzeitschrift "Current Biology" berichten, übt der nur wenige millionstel Milligramm leichte Faden einen Druck aus, der den der Erdatmosphäre um das 150fache übersteigt.
Heidelberg - Durch diese in der Natur einzigartige Beschleunigung können sie die festen Chitinpanzer von kleinen Krebsen durchschlagen und sich so an ihrer Beute laben. Den Wissenschaftlern um Thomas Holstein gelang es nun, mit einer Hochgeschwindigkeitskamera diesen Vorgang mit 1,4 Millionen Bilder pro Sekunde so genau wie noch nie aufzunehmen.
"Das Abschießen des Nesselfadens erfolgt innerhalb von 700 Nanosekunden", sagt Thomas Holstein vom Institut für Zoologie an der Ruprecht-Karls-Universität Heidelberg. Mit gut 50.000 Kilometern pro Sekundequadrat erreichen die Süßwasserpolypen der Arten Hydra magnipapillata und Hydra oligactis eine etwa hundertmal schnellere Beschleunigung als eine abgeschossene Gewehrkugel. Die Endgeschwindigkeit der teilweise giftbeladenen Fangnesseln beträgt etwa 130 Kilometer pro Stunde. "Die Natur hat hier eine Erfolgsstory geschrieben", so Holstein.
Nicht nur die reine Analyse dieses rasanten natürlichen Federprinzips regte Holsteins Forscherdrang an. Parallel will er auch dem Bauprinzip der natürlichen Nesselfasern aus so genannten Mini-Kollagenen auf die Schliche kommen. "Ein Ziel ist es, diese Kollagene in vitro nachzubauen", sagt der Biologe. Damit könnten die Polypen eine natürliche Blaupause für hochfeste und elastische Fasern liefern, die auf der Basis von Holsteins Untersuchungen nachgebaut werden könnten. Holstein analysiert dazu das Erbgut der Quallen und versucht, das Geheimnis hinter dem natürlichen Aufbaumechanismus zu lüften, um die Fasern im Labor nachbauen zu können.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2006/kraftvoll-durch-rekordbeschleunigung-wie-quallen-ihre-beute-durchbohren/