Wellblech in der Luft
Dörte Saße
Washington (USA) - Die dicken Runzeln in durchsichtigen Libellenflügeln dienen nicht nur dazu, die zarten Konstruktionen mehr Stabilität zu verleihen: Sie verbessern auch den Gleitflug. Weil die Riefen kleine zirkulierende Luftkammern erzeugen, erreichen Libellenflügel zum Teil sogar mehr Auftrieb als stromlinienförmig optimierte Tragflächen, berichten US-Forscher. Sie hatten das Flügelprofil der Blaugrünen Mosaikjungfer (Aeschna cyanea) , einer weitverbreiteten Libellenart, in Computermodell strömungsdynamisch untersucht. Die Luftkammern sorgen für Bereiche niedrigen Luftwiderstands, die den Auftrieb erzeugenden Luftstrom der Umgebungsluft über den Flügel unterstützen.
"Die Simulationen zeigen, dass die geriefte Tragfläche vergleichbaren und manchmal größeren Auftrieb erzeugt als die Profil-Tragfläche, mit einem vergleichbaren Luftwiderstand ", schreibt das Team um Abel Vargas im Fachblatt "Bioinspiration and Biomimetics". Die Luftfahrtingenieure der George Washington University simulierten den Gleitflug im Computer mit sehr niedrigen Reynoldszahlen, wie sie dem Gleitflug von Libellen entsprechen. Die Reynolds-Zahl benennt in der Strömungsdynamik das Verhältnis von Trägheitskräften zu Viskositätskräften. Dabei verglichen sie das Gleiten eines typischen gerieften Libellenflügels mit dem einer glatten, gleitoptimierten Tragfläche (der Profiltragfläche) , wie sie bei Segelflugzeugen zum Einsatz kommt, sowie mit dem einer flachen Platte.
Überraschendes Ergebnis der Simulation: Libellenflügel zeigen im Gleitflug weit mehr Auftrieb als erwartet. Vargas und Kollegen stellten fest, dass die Riefen oder Runzeln im Flügel den Ausschlag geben. Diese Struktur wirkt wie die Adernstruktur eines Blattes, die als verstärkendes Gerüst die ansonsten dünne Flügelhaut in Form hält. Obendrein aber schafft sie eine Oberfläche aus Höhen und Tiefen, in deren tiefen Stellen offenbar Luft zirkuliert und damit für Bereiche sehr niedrigen Luftwiderstands sorgt. Das wiederum verstärkt den Auftrieb, der ohnehin durch den Luftstrom entlang des Flügels entsteht. "Der Hauptgrund für die Minderung des gesamten Luftwiderstands der gerieften Tragfläche ist der 'negative shear drag', erzeugt durch die Rezirkulationszonen, die sich innerhalb der Riefen bilden", schreiben die Forscher: "Daher zeigen die numerischen Simulationen klar, dass der geriefte Flügel ein geniales, kunstvolles Design der Natur ist". Wegen des verstärkten Auftriebs und der Gewichtsersparnis durch versteifende Riefen empfehlen sie derartige Flügel für kleine Gleiter, etwa für Miniflieger, die zu Aufklärungs- und Überwachungszwecken eingesetzt werden.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2008/wellblech-in-der-luft/