Neues Haftprinzip für chirurgisches Pflaster

Nach biologischem Vorbild haftet eine selbstklebende Bandage durch Tausende von Mikronadeln, deren Spitzen nach dem Einstechen anschwellen.

Joachim Czichos

Künstlerische Darstellung des Kratzwurms

Ärzte klammern, nähen und setzen chemische Haftmittel ein, um Wunden zu schließen oder transplantiertes Gewebe zu befestigen. Jetzt haben Mediziner ein mit Tausenden von Mikronadeln besetztes Pflaster entwickelt, das nicht nur besser haftet, sondern auch weniger Nebenwirkungen hat. Als biologisches Vorbild für das neuartige Haftprinzip diente ein parasitischer Wurm, der sich rein mechanisch im Gewebe festklammert, indem er sein Vorderteil stark anschwellen lässt. Nach demselben Prinzip funktioniert die Haftung durch Mikronadeln: Sobald sie ins Gewebe eingedrungen sind, dehnen sich die Spitzen durch Aufnahme von Flüssigkeit stark aus und sorgen so für festen Halt. Sowohl das Anbringen als auch das spätere Ablösen des Pflasters ist viel schonender als bisherige Methoden, berichten die Forscher im Fachjournal „Nature Communications“.

„Die Klebkraft der Mikronadelspitzen ist mehr als dreimal größer als konventionelle chirurgische Klammern, die zur Fixierung von Hauttransplantaten benutzt werden“, sagt Seung Yun Yang aus dem Forscherteam von Jeffrey Karp am Brigham and Women’s Hospital in Boston. Zur Entwicklung ihres neuen Pflasters ließen sich die Mediziner von einem Kratzwurm (Pomphorhynchus laevis) inspirieren, einem Darmparasiten von Fischen. Dieser setzt sich in seinem Wirt fest, indem sich sein dünner hakenbesetzter Rüssel in die Darmwand bohrt und dann eine blasenförmige Schwellung bildet. Das Prinzip „Eindringen und Anschwellen“ übertrugen die Forscher nun auf die Konstruktion ihres Pflasters.

Die kegelförmigen Nadeln der Haftfläche bestehen aus einem festen Kern aus Polystyrol. Die Spitzen dagegen sind aus einem Hydrogel auf Polyacrylamid-Basis aufgebaut, das bei Kontakt mit Gewebeflüssigkeit stark anschwillt. Das ermöglicht eine feste mechanische Verbindung, wie sie beispielsweise zwischen transplantierter Haut und Brandwunden nötig ist. „Und wenn es Zeit ist, das Pflaster zu entfernen, werden Gewebe, Blutgefäße und Nerven weniger geschädigt als bei den Klammern und das Infektionsrisiko ist geringer“, sagt Karp.

Die Konstruktion des Nadelpflasters ermöglicht noch eine weitere Nutzung: In die Nadelspitzen lassen sich Wirkstoffe einbauen, die beim Anbringen des Pflasters in die Wunde abgegeben werden. So können gezielt Antibiotika sowie wachstumsfördernde oder entzündungshemmende Substanzen in das Wundgewebe gelangen und zur Heilung beitragen. Bisher haben die Forscher ihr Nadelpflaster allerdings nur bei verschiedenen Geweben von Schweinen eingesetzt.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2013/neues-haftprinzip-fuer-chirurgisches-pflaster/