3D-Modell erklärt Furchenbildung im Gehirn

Physikalische Kräfte sollen die komplexe Struktur des menschlichen Hirns besser als biologische und chemische Faktoren erklären.

Jan Oliver Löfken

Zahlreiche Furchen und Windungen bestimmen die Oberfläche des menschlichen Gehirns. Keinem Hirnforscher ist es bisher gelungen, die Bildung dieser komplexen Faltenstruktur mit biologischen, chemischen oder genetischen Faktoren zu erklären. Diese Wissenslücke könnte nun eine internationale Gruppe von Physikern mit einem gelartigen Hirnmodell aus dem 3D-Drucker gefüllt haben. In der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten sie, wie allein physikalische Kräfte beim Heranwachsen des ungeborenen Fötus die Ausbildung der Faltenstruktur bestimmten.

Links mit einem Raster verdeutlichter Querschnitt einer Furche eines Gehirns in unterschiedlichen Schattierungen, rechts ein simuliertes Gehirn in verschiedenen Schattierungen.

Hirnwindungen als Computersimulation

„Das schnelle Wachstum des menschlichen Gehirns führt begleitet von Faltprozessen zu einer extrem gewundenen Struktur“, schreiben Tuomas Tallinen von der Universität Jyväskylä in Finnland und seine Kollegen. Für ihren neuen Ansatz, die komplexe Hirnstruktur zu erklären, nutzten sie Kernspinresonanzaufnahmen eines Fötus in der 22. Schwangerschaftswoche. Zu diesem Zeitpunkt ist die Hirnoberfläche noch weitestgehend glatt. Ausgehend von diesem Status zeigten sie in einem Experiment mit einem künstlichen Hirnmodell die Wirkung physikalischer Kräfte auf die Oberflächenstruktur beim weiteren Wachstum. Parallel simulierten sie diesen Prozess mit einem aufwendigen Computermodell.

Auf der Basis der Kernspinbilder druckten sie mit einem 3D-Drucker eine gelartige Masse aus, die der Form des Gehirn des ungeborenen Fötus entsprach. Auf diesem Gel-Gehirn schichteten sie eine dünne Schicht eines flexiblen Kunststoffs, analog zur zellreichen grauen Masse des Gehirns. In ein flüssiges Lösungsmittel getaucht schwoll diese gelartige Masse an und übte dabei zunehmend stärkere Kompressionskräfte aus. Um sich auf beschränktem Raum dennoch ausdehnen zu können, faltete sich das Gel in zahlreichen Furchen und Windungen auf. Diese zeigten qualitativ verblüffende Ähnlichkeiten mit einem echten menschlichen Gehirn. Die gesamte Oberfläche dieses aufgequollenen Gelhirns entsprach mit knapp 700 Quadratzentimetern etwa der eines Neugeborenen.

Die parallel durchgeführten Simulationen, die allein auf der Ausdehnung des Gels, dessen Flexibilität und der wirkenden Kompressionskräfte beruhte, ergaben ähnliche Faltenstrukturen. Dank dieser Übereinstimmung steht nun erstmals eine rein physikalische Erklärung zur Ausbildung der komplexen Hirnstrukturen zur Verfügung. Kombiniert mit den bisher gewonnenen biologischen Erkenntnissen lässt sich nun das Wachstum der Hirnstruktur von Menschen, Primaten und anderen höheren Säugetieren besser erklären.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2016/3d-modell-erklaert-furchenbildung-im-gehirn/