Wie Chamäleons ihre Beute festhalten

Die Tiere halten ihre Beute mit einem stark viskosen Sekret auf der Zunge fest, die neuen Ergebnisse stellen die Saugnapftheorie infrage.

Jan Oliver Löfken

Versuchsaufbau, wie ein Chamäleon vor einem Maßstab eine Heuschrecke mit der weit ausgestreckten Zunge einfängt.

Chamäleons sind wahre Meister der Jagd. Lassen sie ihre lange Zunge aus dem Maul schnellen, hat kaum ein Insekt noch eine Chance. Die Beschleunigung der Zunge konnten Wissenschaftler schon genau bestimmen, das Festhalten der Beute jedoch blieb bisher ein Rätsel. Eine Gruppe aus Physikern und Biologen fand nun eine Erklärung in der sehr großen Zähigkeit der Chamäleonspucke. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature Physics“ berichten, könnten die Tiere dank ihres hochviskosen Zungensekrets Beutetiere von bis zu einem knappen Drittel ihres eigenen Gewichts festhalten.

Aufnahme eines Chamäleons, eines echsenartigen Tiers mit vielen Hautschuppen.

Chamäleon

„Um die möglichen Haftkräfte der Zunge bestimmen zu können, mussten wir die Viskosität des Zungensekrets messen“, sagt Pascal Damman von der Universität Mons in Belgien. Doch mit herkömmlichen rheologischen Methoden wie etwa einem Rührbecher war dies nicht möglich, da die Tiere schlicht zu wenig Spucke bildeten. Damman und Kollegen nutzten daher einen Trick: Sie hielten vor eine Heuschrecke ein durchsichtiges Glasplättchen. Das Chamäleon der Art Chamaeleo calyptratus sah dieses Plättchen nicht und versuchte, das Insekt mit seiner Zunge zu fangen. Die Zunge blieb am Glasplättchen hängen und hinterließ einen dünnen Film aus klebriger Spucke.

Sofort danach setzten die Wissenschaftler eine kleine Kugel auf dieses Glasplättchen und hielten es etwas schräg. Die Kugel rollte nur langsam herab, da sie über Haftkräfte von der viskosen Spucke abgebremst wurde. Aus der Geschwindigkeit der Kugel konnten die Forscher auf die Viskosität der Spucke schließen. Zu ihrer Überraschung war die Chamäleonspucke etwa vierhundertmal zähflüssiger als menschlicher Speichel.

Mit diesen Messwerten bestimmten sie die möglichen Haftkräfte der Zunge auf etwa ein Drittel des Körpergewichts des Chamäleons. Nicht nur Insekten, sondern auch kleine Säugetiere von einigen Hundert Gramm Gewicht könnten die schuppigen Kriechtiere mit ihrer Zunge festhalten. Damit diese großen Haftkräfte bei der Jagd auch wirken können, muss die Kontaktfläche zwischen Zunge und Beutetier möglichst groß sein. Dieses Kunststück gelingt den Chamäleons durch die große Verformbarkeit ihrer Zunge.

Bisher vermuteten viele Biologen, dass das Chamäleon seine Zungenspitze zu einem kleinem Hohlraum verformt, um die Beute über einen Saugnapfeffekt festzuhalten. Da die Haftkräfte der zähflüssigen Spucke aber offenbar groß genug sind, müsste die Saugnapftheorie nun infrage gestellt werden. Es ist jedoch nicht auszuschließen, dass die Tiere tatsächlich beide Effekte nutzen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2016/wie-chamaeleons-ihre-beute-festhalten/