Physikalisches Modell sagt Wirtschaftswachstum vorher

Anhand von nur zwei Parametern liefert eine neue Methode erstaunlich gute Prognosen für das zu erwartende Bruttoinlandsprodukt eines Staates.

Jan Oliver Löfken

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Staatsschulden, Arbeitslosigkeit, Bevölkerungsalter oder Bildungsniveau – mehr als einhundert Faktoren beeinflussen die Wirtschaftskraft eines Staates. Auf der Basis dieser Parameter lässt sich mit extrem komplexen und leider auch fehleranfälligen Modellen das zu erwartende Wirtschaftswachstum ermitteln. Gemeinsam mit der Weltbank haben Physiker eine neue Vorhersagemethode entwickelt, die sowohl deutlich weniger Parameter nutzt als auch bessere Ergebnisse liefern kann. In der Fachzeitschrift „Nature Physics“ stellt das Team den neuen Ansatz nun vor.

In das physikalische Modell von Andrea Tacchella vom Institut für komplexe Systeme in Rom und seinen Kollegen fließen lediglich zwei Faktoren ein: das aktuelle Bruttoinlandsprodukt pro Kopf und die sogenannte Fitness eines Staates. Letztere gibt die wirtschaftliche Wettbewerbsfähigkeit eines Landes an und beruht auf Exportzahlen in verschiedenen Produktfeldern, wie etwa Autos oder Elektronik. Die Wissenschaftler variierten die beiden Faktoren um geringe Werte und ihr Modell berechnete jeweils eine Schar von Prognosen für das zu erwartende Wachstum des Bruttoinlandsprodukts. Diese Ergebnisse glichen sie anschließend mit realen Wirtschaftsentwicklungen in der jüngsten Vergangenheit ab. Auf diese Weise ließ sich die wahrscheinlichste Wachstumsprognose für die Folgejahre ermitteln.

Koordinatensystem mit einer Diagonalen und mehreren roten Pfeilen, die die wirtschaftliche Entwicklung verschiedener Staaten anzeigen.

Ergebnisse des neuen Modells

Testweise wendeten Tacchella und sein Team die neue Methode auf Wirtschaftszahlen aus den Jahren zwischen 2008 und 2015 an. Das Modell lieferte bis zu 25 Prozent genauere Vorhersagen als herkömmliche Verfahren. Die Prognosen für hoch entwickelte Industriestaaten wie Japan oder Deutschland trafen dabei eher zu als jene für Schwellen- oder Entwicklungsländer. Einen Grund dafür sehen die Forscher in größeren Fluktuationen der Exportzahlen und des Bruttoinlandsprodukts in Staaten wie Tansania, Kolumbien oder Brasilien. Überzeugt von dem deutlich einfacheren Modell will die Weltbank diesen Ansatz nun verstärkt für ihre Wirtschaftsprognosen nutzen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2018/physikalisches-modell-sagt-wirtschaftswachstum-vorher/