Die Dynamik der Aorta
Die Aorta vollbringt Höchstleistungen: Täglich leitet die etwa drei Zentimeter dicke Ader mehr als 7000 Liter Blut vom Herzen in den komplexen Blutkreislauf. Dabei wandelt sie den anfangs im Takt des Herzschlags pulsierenden Blutstrom in einen kontinuierlichen Blutstrom um. Biophysiker untersuchten die Materialeigenschaften des Aortengewebes nun mit einem künstlichen Blutkreislauf genauer – und fanden so heraus, dass die für ihre Funktion wichtige Elastizität der Hauptschlagader mit zunehmendem Alter abnimmt. Ihre Ergebnisse veröffentlichte das Team jetzt in der Fachzeitschrift „Physical Review X“.
„Das dynamische Verhalten der menschlichen Aorta ist bislang noch kaum erforscht und verstanden“, sagt Marco Amabili von der McGill University in Montreal. Denn Ärzte untersuchen diese großen Blutgefäße bislang meist bei Patienten mit einem Ruhepuls von etwa sechzig Herzschlägen pro Minute. Um die Eigenschaften der Hauptschlagader auch bei höheren Herzfrequenzen zu beobachten, nutzten Amabili und seine Kollegen die Aorten von elf verstorbenen Organspendern im Alter von 25 bis 84 Jahren. In ihren Experimenten spannten die Forscher jeweils ein etwa zwölf Zentimeter langes Stück der Adern in einen Versuchsaufbau ein und stellten mithilfe von Pumpen den menschlichen Blutkreislauf nach. Als Blutersatz diente eine mit Glycerin vermischte Salzlösung, die ähnliche Fließeigenschaften wie natürliches Blut aufweist.
Das Team um Amabili variierte sowohl die Durchflussraten als auch den Takt der pulsierenden Pumpen von 60 bis zu 180 Schlägen pro Minute. Dabei zeigten Druck- und Strömungssensoren das Durchflussverhalten an. Parallel verfolgten die Wissenschaftler die pulsierende Verformung der Aorta mithilfe von Lasern. Die Messungen belegen, dass sich das Blutgefäß eines jungen Organspenders während eines Pumppulses um bis zu zehn Prozent ausdehnen kann. Mit zunehmendem Alter der Spender nahm die Elastizität nach und nach ab – und schrumpfte auf bescheidene zwei Prozent.
Die Elastizität der Aorta ist wichtig, um die anfangs gepulste Strömung des Blutes über den sogenannten Windkesseleffekt in einen kontinuierlichen Fluss umzuwandeln: Durch das für kurze Zeit vergrößerte Volumen der Aorta gleichen sich die Druckdifferenzen während eines Herzschlags aus. Die Ergebnisse von Amabili und seinen Kollegen lassen sich für die Entwicklung besserer künstlicher Aorten nutzen. Bisher sind die Implantate aus Kunststoff relativ steif. Künftig sollten sie laut den Forschern aus elastischeren Materialien gefertigt werden.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2020/die-dynamik-der-aorta/