Fett macht Schokolade zartschmelzend

Mit einer künstlichen Zunge charakterisierten Forscher den Schmelzvorgang von dunkler Schokolade im Mund.

Jan Oliver Löfken

Das Bild zeigt kleine Stück von dunkler Schokolade, die aufeinanderliegen.

Wachiwit/iStock

Mit einem Verzehr von gut neun Kilogramm pro Jahr ist Schokolade die beliebteste Süßigkeit in Deutschland. Nicht nur der Geschmack, sondern auch das angenehme Schmelzen der Schokolade im Mund spielt dabei eine wichtige Rolle. Um diesen eher subjektiven Eindruck zu charakterisieren, entwickelten Forscher nun eine künstliche Zunge. Wie sie in der Fachzeitschrift „ACS Applied Materials & Interfaces“ berichten, ist vor allem der Fettanteil in der Schokolade für das zarte Schmelzen im Mund verantwortlich.

Das Empfinden im Mund beim Verzehr von Schokolade entsteht durch ein komplexes Wechselspiel aus dem Schmelzvorgang und den wirkenden Reibungskräften zwischen Zunge und dem Schokoladenstück. Um diesen Prozess genauer zu analysieren, formten Anwesha Sarkar und ihre Kollegen von der University of Leeds nun eine künstliche Zunge aus einem flexiblen Silikonkunststoff. In die Silikonzunge integrierten sie mithilfe eines 3D-Druckverfahrens die winzigen Strukturen der natürlichen Geschmackssensoren, die sogenannten Zungenpapillen. So ließen sich sowohl die pilzförmigen Papillen, die für die Geschmackswahrnehmung verantwortlich sind, als auch die fadenförmigen Papillen, die den Nahrungstransport ermöglichen, imitieren. Dafür verteilten sie etwa 200 winzige Zylinder und 20 Minikugeln zufällig über die Zungenoberfläche.

Die künstliche Zunge bewegten die Forscher viele Male über ein Stück dunkler Schokolade und analysierten währenddessen die Reibungskräfte mithilfe eines sogenannten Triborheometer. So ließen sich drei verschiedene Phasen während des Verspeisens genauer untersuchen: das Lecken über ein festes Schokoladenstück, das Schmelzen der Schokolade beim Kauen und schließlich das Schlucken der flüssigen Mischung aus Schokolade und Speichel. Ihre Versuche wiederholten Sarkar und ihre Kollegen mit weiteren Stücken Bitterschokolade mit verschiedenen Fettanteilen. Bewusst verzichteten sie auf Vollmilchvarianten, um die Versuche etwa durch die Milchanteile nicht zu verfälschen.

Die Experimente zeigten, dass in den ersten beiden Verzehrphasen – Lecken und Kauen – das als angenehm wahrgenommene seidige Gefühl mit steigendem Fettanteil zunahm. Beim Schlucken ging dieser zartschmelzende Eindruck mit höherem Fettanteil dagegen deutlich zurück. Für den Wechsel machten Sarkar und ihre Kollegen das Entstehen von winzigen, etwa 200 Mikrometer durchmessenden Tropfen verantwortlich. Mit dieser neuen Analyse lässt sich nun nicht nur das Empfinden beim Verzehr von Schokolade charakterisieren. Stattdessen könnten mit solchen künstlichen Zungen zukünftig auch neue Schokoladevarianten entwickelt werden. Beispielsweise ließen sich fettärmere Sorten herstellen, die nur an der Oberfläche einen höheren Fettanteil haben. So würde man weiterhin das seidige Schmelzen beim Kauen genießen können, aber dennoch weniger Fett aufnehmen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/leben/nachrichten/2023/fett-macht-schokolade-zartschmelzend/