„Akustische Eindrücke fast beliebig manipulieren“
Dirk Eidemüller
Mit verschiedenen Methoden lassen sich Schallwellen verbergen oder sogar umgekehrt Dinge vortäuschen. Dafür werden beispielsweise passive Methoden genutzt – also Oberflächen mit bestimmten Materialien so verändert, dass der gewünschte Eindruck entsteht. Forschern ist nun nach langjähriger Arbeit eine beeindruckende Manipulation von Schall in Echtzeit gelungen. Im Interview mit Welt der Physik berichtet Johan Robertsson von der ETH Zürich, wie die neuartige akustische Technologie funktioniert und wie sich damit Schallfelder gezielt verfremden lassen.
Welt der Physik: Welche Illusionen können Sie mit Ihrer neuen Methode hervorrufen?
Johan Robertsson: Es ist uns geglückt, ein Echtzeitsystem zu entwickeln, das mithilfe vieler kleiner Lautsprecher gezielt Schall verändern kann. Dadurch können wir den akustischen Eindruck eines Raumes oder eines Objekts fast beliebig manipulieren. Mit dieser Technologie könnte es möglich werden, etwa in einem kleinen Raum den Höreindruck einer Kathedrale zu erzeugen – oder umgekehrt. Wir können das akustische Wellenfeld auch so beeinflussen, als befände sich irgendwo im Raum ein Objekt, obwohl dort eigentlich nur leerer Raum ist. Wir nennen das „akustische Holographie“. Oder wir glätten die Schallwellen hinter einem Objekt, so dass es unsichtbar – oder besser unhörbar – wird. Das bezeichnet man als „akustische Tarnkappe“.
Wie lassen sich die Schallwellen so gezielt manipulieren?
An genau diesem Problem haben wir viele Jahre gearbeitet und nun endlich einen großen Durchbruch erzielt. Grundsätzlich benötigt man mehrere Dutzend Lautsprecher, die an bestimmten Punkten im Raum angeordnet sein müssen. Außerdem braucht man noch eine Reihe von Mikrofonen, die die Schallwellen im Raum und damit das akustische Schallfeld präzise aufzeichnen. Die gemessenen Signale werden an eine spezielle elektronische Schaltung weitergeleitet. Diese berechnet blitzschnell, wie man in das aktuelle Schallfeld eingreifen muss, um es in der gewünschten Art und Weise zu beeinflussen. Diese Information geht dann sofort weiter an die Lautsprecher, die dann die berechneten akustischen Schallwellen abgeben.
Worin unterscheidet sich Ihre Methode von der sogenannten „Noise Cancellation“, die mittlerweile unter anderem in Kopfhörern genutzt wird?
Auch bei der Noise Cancellation sind aktive Systeme – also Methoden, die eine Überlagerung mit weiteren Schallwellen nutzen, um das Schallfeld zu manipulieren – im Einsatz. Aber dort wird nur ein Gegenschall zum unerwünschten Außenschall erzeugt, wodurch sich die Schallwellen dann gegenseitig auslöschen. Mit unserer Technologie heben wir diese Manipulation sozusagen nochmals auf eine höhere Stufe und erzeugen mit den frei manipulierbaren Schallwellen beliebige Veränderungen.
Wie sehen die nächsten Entwicklungen aus?
Unser System funktioniert bislang nur in zwei Dimensionen, also in einer flachen Ebene. Dazu haben wir die Lautsprecher und Mikrofone zwischen zwei Plexiglasplatten angebracht, die knapp einen Zentimeter auseinanderliegen. Damit ließ sich ein rund 12 Zentimeter großes Objekt verbergen und auch ein ebenso großer imaginärer Gegenstand vortäuschen. Will man ein Objekt vortäuschen, geben die Lautsprecher bestimmte akustische Signale ab, so dass der Eindruck entsteht, als würde ein Objekt in der Mitte Schallwellen zurückwerfen. Nächstes Jahr wollen wir in einem Wassertank von rund drei Metern Seitenlänge und Tiefe die Methode unter Wasser und in drei Dimensionen testen.
Warum soll das dreidimensionale Raumklang-Experiment unter Wasser stattfinden?
Ich bin Geophysiker, und auch in diesem Forschungsbereich hat man es mit komplexen akustischen Wellenfeldern zu tun. Bei der seismischen Exploration auf der Suche nach Rohstoffen oder bei Erdbeben werden beispielsweise oft nur schwer zu interpretierende Signale detektiert. Im Labor lassen sich solche seismischen Wellen bislang nur schwer simulieren. Da Wasser aber sehr viel dichter ist als Luft, werden wir die Verhältnisse im Gestein mit unserer neuen Technik unter Wasser besser simulieren können. So lassen sich womöglich im Labor die Wellenfelder im Untergrund nachahmen und so in Zukunft auch die Interpretation der seismischen Daten erleichtern.
Werden solche Systeme denn auch bald schon für den Hausgebrauch zu kaufen sein?
Es klingt natürlich reizvoll, sich ein Orgelkonzert mit entsprechendem Raumklang in den eigenen vier Wänden anzuhören. Auch im Bereich Computerspiele oder etwa in einem Freizeitpark wäre das bestimmt interessant. Denkbar sind solche kommerziellen Anwendungen an sich schon, aber es wird noch ein bisschen dauern, bis solche Systeme im Alltag genutzt werden können.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/akustische-eindruecke-fast-beliebig-manipulieren/