„Den Übergang von Eis zu Dampf sichtbar machen“

Kim Hermann

Auf dem Bild ist eine Schale von oben zu sehen, die mit getrockneten Erdbeeren gefüllt ist. Die Schale steht auf einer Schieferplatte, auf der einzelne Erdbeerstücke liegen.

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Damit sie lange haltbar bleiben und dennoch ihr Aroma und ihre Struktur beibehalten, werden Kräuter, Kaffee oder Früchte gefriergetrocknet. Auch bei der Herstellung von Medikamenten und Joghurtkulturen spielt die Gefriertrocknung eine wichtige Rolle. Doch obwohl das Verfahren bereits in zahlreichen Bereichen angewandt wird, ist über den genauen Ablauf noch wenig bekannt. Mithilfe von Neutronen haben Wissenschaftler der Technischen Universität München und der Universität Magdeburg den Verlauf nun sichtbar gemacht. Was sie dabei herausgefunden haben, berichten Petra Först und Sebastian Gruber im Interview mit Welt der Physik.

Welt der Physik: Wie funktioniert die Gefriertrocknung?

Gruppenbild von zwei Wissenschaftlerinnen und zwei Wissenschaftlern

Petra Först und Sebastian Gruber mit ihren Kollegen

Petra Först: Die Gefriertrocknung ist ein spezielles Trocknungsverfahren für Lebensmittel, bei dem das zu trocknende Objekt – etwa eine Frucht – zunächst gefroren wird. Dabei erstarrt das Wasser in der Frucht zu Eis und wird anschließend unter Vakuum langsam wieder erwärmt, bis das Eis in Wasserdampf übergeht. Das Besondere an der Gefriertrocknung ist dieser direkte Übergang von Eis in Wasserdampf. Die sogenannte Sublimation ist besonders schonend, da die Struktur der Frucht dabei weitestgehend erhalten bleibt – und auch andere Eigenschaften, wie das Aroma oder die Wirksamkeit von Medikamenten, gehen nicht verloren.

Wieso haben Sie sich mit Gefriertrocknung beschäftigt?

Petra Först: Der Prozess der Gefriertrocknung ist noch nicht vollständig verstanden. Für die Gefriertrocknung sind sehr niedrige Drücke sowie niedrige Temperaturen nötig. Bei diesen extrem niedrigen Drücken tritt Wasser – laut den Gesetzen der Thermodynamik – nur im festen oder gasförmigen Zustand auf. Daher schmilzt Eis nicht, sondern sublimiert. Diese besonderen Anforderungen machen die Gefriertrocknung jedoch zu einem zeitaufwendigen und teuren Verfahren. Ließe sich die Trocknung bei einer höheren Temperatur durchführen, würde es nicht so lange dauern – bereits ein Grad verkürzt die Trocknung um etwa 13 Prozent. Gleichzeitig riskiert man bei einer höheren Temperatur, dass die Struktur des Objekts zusammenbricht und dadurch wichtige Eigenschaften verloren gehen. Um das Verfahren zu optimieren, wollten wir die Prozesse, die während der Gefriertrocknung ablaufen, besser verstehen.

Wissenschaftlerin mit Schutzbrille greift an eine hohe Apparatur

Gefriertrocknung der Probe

Wie haben Sie diese Prozesse untersucht?

Sebastian Gruber: In unserem Experiment haben wir eine Probe aus wasserhaltigen Zuckerpartikeln, die häufig bei der Gefriertrocknung in der Pharmaindustrie zum Einsatz kommen, untersucht. Denn man weiß vor allem sehr wenig über die Gefriertrocknung von sogenannten Haufwerken – also Gemischen aus festen Partikeln. Mit einer Vakuumpumpe haben wir den Druck verringert und der gefrorenen Probe anschließend von unten langsam Wärme zugeführt. Während die Probe trocknete, haben wir jede Minute ein Bild erstellt. So konnten wir den Verlauf der Sublimationsfront beobachten – der Grenze zwischen den Bereichen, die noch gefroren sind, und den Bereichen, in denen das Eis bereits sublimiert ist.

Wie haben Sie die Bilder der Probe erstellt?

Sebastian Gruber: Die Bilder haben wir mithilfe von Neutronen aus dem Forschungsreaktor FRM II in Garching erstellt. Das funktioniert im Prinzip analog zum Erstellen von Röntgenbildern: Die Probe wird bestrahlt und lässt je nach Material unterschiedlich viel Strahlung durch. Mithilfe der abgeschwächten Strahlung lässt sich dann ein Bild der Probe rekonstruieren. Neutronen eignen sich hier besonders gut, da sie stark von Wasser, und somit von Eis, abgeschwächt werden. Die Neutronen treffen zunächst auf die Wasserstoffkerne und werden von diesen gestreut oder absorbiert. Anschließend werden die verbleibenden Neutronen von Detektoren erfasst. Je mehr Wasserstoffatome nun vorhanden sind, desto stärker werden die Neutronen abgeschwächt und das Signal am Detektor wird somit schwächer. Mit dieser Methode haben wir während des gesamten Trocknungsprozesses den Wassergehalt der Zuckerprobe aufgezeichnet.

Was haben Sie dabei herausgefunden?

Aufnahme einer Probe, die aus einer grauen Schicht besteht, die auf einer weißen Schicht lagert

Aufnahmen der Sublimationsfront

Petra Först: Den Verlauf der Sublimationsfront, den die meisten theoretischen Modelle vorhersagen, konnten wir in unserem Experiment nicht bestätigen. Im Gegenteil: Die Sublimationsfront durchläuft die Probe nicht – wie in den Modellen vorhergesagt – von oben nach unten, sondern genau entgegengesetzt. Außerdem haben wir unterschiedlich große Zuckerpartikel untersucht. Bei den großen Partikeln konnten wir neben der Hauptsublimationsfront – die sich in der ganzen Probe ausbildet – noch weitere Sublimationsfronten finden: Jeder einzelne Partikel trocknet nämlich von außen nach innen. Somit konnten wir zeigen, dass wir neue Modelle brauchen, die diese beiden Phänomene gleichzeitig beinhalten.

Was wollen Sie sich in Zukunft anschauen?

Petra Först: Wir planen Experimente, mit denen wir den Einfluss der Partikelgrößen noch weiter untersuchen können. Außerdem interessieren wir uns für die Hohlräume zwischen den Partikeln, durch die der entstehende Dampf abtransportiert wird. Das Verhältnis der Größe dieser Hohlräume zu der Größe der Poren in den Partikeln – die durch das sublimierte Eis entstehen – spielt eine entscheidende Rolle bei der Gefriertrocknung und wurde bisher noch nicht untersucht. Nur durch weitere Experimente können wir die idealen Verhältnisse für das Gefriertrocknungsverfahren herausfinden.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/den-uebergang-von-eis-zu-dampf-sichtbar-machen/