Molekularelektronik
Franziska Konitzer
Ein einzelnes Molekül lässt sich als Solarzelle verwenden: Trifft Licht auf einen speziellen Proteinkomplex, erzeugt dieser Strom. Wie viel Strom durch ihn fließt und wie man ihn überhaupt dazu bringt, als Stromgenerator in einem Schaltkreis zu fungieren, erklärte Joachim Reichert von der TU München in unserem Podcast. Hier finden Sie den Beitrag zum Nachlesen.
Bereits seit der Urzeit der Erde machen sich Pflanzen die Energie des Sonnenlichts zunutze: Mit der Photosynthese wandeln sie Lichtenergie in chemische Energie um. Möglich machen das winzige Ansammlungen aus Proteinen und Pigmentmolekülen in ihren Blättern. Einer der Photosyntheseapparate ist das sogenannte Photosystem I:
„Das Photosystem I kommt in sehr vielen niederen Lebensformen vor, beispielsweise im Cyanobakterium oder in der Blaualge, aber auch in höheren Pflanzen wie Spinat und Bäumen“,
erklärt Joachim Reichert von der TU München. Das Photosystem I ist ein Proteinkomplex, zusammengesetzt aus vielen verschiedenen Molekülen. Dazu gehören Chlorophylle und Carotinoide. Diese Pigmentmoleküle absorbieren Licht und lösen so einen Prozess aus, bei dem auch elektrischer Strom fließt. Was wir normalerweise nur aus Stromleitungen mit einem Fluss von Trillionen von Elektronen pro Sekunde kennen, findet also in sehr viel kleinerem Ausmaß auch in den Molekülen von Pflanzen statt.
„Bei der Photosynthese selbst werden Licht, Wasser und Kohlendioxid in verschiedenen Schritten in Zucker umgewandelt. Einer dieser Schritte findet im Photosystem I statt. Er besteht lediglich daraus, dass ein Elektron von einer Seite der Zellmembranwand auf die andere transferiert wird. Bei der Absorption von Licht wird das Elektron in einen energetisch relativ hohen Zustand angeregt und springt dann von Atom zu Atom zur anderen Seite der Zellmembran.“
Dadurch fließt ein Strom durch den Proteinkomplex – auch wenn dieser nur aus einem negativ geladenen Elektron besteht. Joachim Reichert und seine Kollegen haben einzelne Moleküle dieser Art gezielt angeregt und anschließend gemessen, wie viel Strom durch sie fließt. Dafür haben die Forscher das Photosystem I nicht in seiner natürlichen Umgebung einer Pflanze oder eines Bakteriums betrachtet. Stattdessen untersuchten sie es integriert in einen winzigen Schaltkreis.
„Der Versuchsaufbau selbst ist recht einfach. Die Moleküle werden auf einem Goldsubstrat abgeschieden. Dieses Goldsubstrat wird anschließend von der anderen Seite durch eine Spitze, in diesem Fall ein Glasfragment, angenähert. Das Fragment ist mit einer dünnen Metallschicht bedeckt. Die Annäherung geschieht so lange, bis wir ein Protein auf der Oberfläche kontaktieren. Danach messen wir die fließenden Ströme.“
Im so hergestellten Schaltkreis stellt der Kontakt zwischen dem Glasfragment und dem Molekül selbst eine Elektrode dar. Doch damit Strom fließt, muss das Molekül erst einmal durch Licht angeregt werden. Dies geschieht durch einen Laser, der durch das Glasfragment hindurch auf das Molekül gelenkt wird. Das Experiment findet in einem Größenbereich von Nanometern statt, also Milliardstel Meter. Das Molekül Photosystem I selbst hat eine zylinderartige Form mit einem Durchmesser von rund 15 Nanometern und einer Höhe von rund neun Nanometern. Die Wellenlänge von sichtbarem Licht beträgt dagegen Hunderte von Nanometern. Ein einzelnes von diesen winzigen Molekülen anzuregen, ist daher nicht ganz einfach.
„Das ist einer der größten Vorteile dieses Experiments. Es gibt andere Methoden, einzelne Moleküle zu kontaktieren, nur ist es dort sehr schwierig, Licht in das einzelne Molekül oder in den einzelnen Kontakt einzukoppeln. Der Trick hier ist tatsächlich, dass wir eine der Elektroden dazu benutzen, ein starkes optisches Feld an die Stelle des Kontaktes zu bekommen. Die Spitze selbst, das Glasfragment, dient dabei auch noch als eine Art Trichter, um das Licht zu verstärken.“
Das Glasfragment erfüllt auf diese Weise zwei Aufgaben gleichzeitig: Es fokussiert das Licht und misst den Stromfluss durch das Molekül. Der ist allerdings winzig.
„Wir haben festgestellt, dass in dem Photosystem, bei dem wir einen Photostrom feststellen konnten, etwa zehn Picoampere geflossen sind. Das bedeutet, dass etwa alle 16 Nanosekunden ein Elektron von der einen Seite zur anderen Seite transferiert wird.“
Zum Vergleich: Eine einzelne Solarzelle auf dem Dach erzeugt einen Stromfluss von rund drei Ampere. Das ist das Hundertmilliardenfache des Stroms, der durch das Photosystem I fließt. Allerdings werden viele der Elektronen nach ihrer Anregung durch das Licht auf ihrem Weg durch die Solarzelle sozusagen wieder verschluckt. Diese Rekombination schränkt die Effizienz von Solarzellen ein. Im Photosystem I hingegen wird ein Elektron mit einer Effizienz von fast hundert Prozent von einer Seite des Moleküls zur anderen übertragen. Dennoch stellt das Photosystem I keine fast perfekte Energiequelle dar; das Problem liegt in der Anregung.
„Es passiert einem sehr hohen Anteil, dass der Proteinkomplex nicht angeregt wird. Das liegt an dem Absorptionskoeffizienten des Photosystems I. Dieser ist relativ niedrig, speziell auch in den einzelnen Lagen des Photosystems. Aber wenn es angeregt wurde, dann wird das Elektron transferiert, und es kann nicht rekombinieren, da die Rekombinationszeiten sehr viel länger sind als die Transferzeiten. Das ist ein großer Vorteil gegenüber Halbleitersolarzellen, bei denen ständig Rekombination stattfindet und diese in ständiger Konkurrenz mit der Ladungstrennung steht.“
In dieser Hinsicht ist das Photosystem I ein besserer Stromgenerator als künstlich hergestellte Solarzellen. Das heißt aber noch lange nicht, dass Dächer in Zukunft mit diesen Molekülen beschichtet werden. Im Experiment sollte hauptsächlich gezeigt werden, dass es prinzipiell möglich ist, ein einzelnes Molekül gezielt anzusteuern und als Stromgenerator zu verwenden. Damit ergeben sich neue Möglichkeiten. So wäre es beispielsweise denkbar, das Photosystem I eines Tages als Bauteil in Nanoschaltkreisen zu verwenden.
„Die molekulare Elektronik ist ein relativ junges und kleines Wissenschaftsfeld, in dem man davon träumt, einzelne Bauteile, aus denen sich ein Computer zusammensetzt, also beispielsweise Widerstände, Kapazitäten, Leitungen, Schalter, Dioden und eben auch Stromquellen, durch einzelne Moleküle zu ersetzen.“
Die Vorteile liegen auf der Hand: Moderne elektronische Geräte werden nicht nur immer leistungsfähiger, sondern auch immer kleiner. Molekulare Bauteile müssten nicht erst mühsam miniaturisiert und hergestellt werden; einzelne Moleküle wie das Photosystem I sind bereits winzig – und im Überfluss vorhanden.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/molekularelektronik/