Baumwolle + Nanoröhrchen = "intelligente Fasern"
Mit einer schlichten Beschichtung aus elektrisch leitenden Kohlenstoffröhrchen stechen handelsübliche Naturfasern mit ihrer Flexibilität bisher entwickelte, technischere "iFasern" aus - und können sogar Blut erkennen
Ann Arbor (USA) - Man nehme Baumwollfaden, tauche ihn in eine Nanoröhrchen-Flüssigkeit und dann in eine Kunststofflösung. Und voilà: Der Faden leitet elektrischen Strom, bleibt dabei flexibel, robust und lässt sich gut zu Stoffen stricken oder weben - anders als bisherige stromleitende Fasern. Taucht man den beschichteten Faden obendrein in eine Lösung aus Antikörpern, so kann er sogar Blut registrieren und dies - durch erhöhten Stromfluss - eigenständig melden, erklären US-Forscher. Diese schlichte Herstellungsmethode dürfte Fasern für unterschiedlichste Einsatzbereiche liefern. Bestechend ist dabei, dass die Fasern gleichzeitig als elektrische Leitung für "intelligente Kleidung" und als eigenständige technische und biologische Sensoren dienen können, berichten die Forscher in der Dezemberausgabe des Fachblatts "Nano Letters".
"Bisher bestehen 'intelligente Textilien' vor allem aus metallischen oder optischen Fasern. Sie sind fragil. Sie sind nicht bequem. Metallfasern korrodieren auch noch", erläutert Nicholas Kotov, Professor für Chemisches und Biomedizinisches Ingenieurwesen sowie Materialforschung an der University of Michigan. "Wir haben einen viel einfacheren Weg gefunden - einen eleganten Weg - durch das Kombinieren zweier Fasern, einer natürlichen und einer per Nanotechnologie hergestellten". Kotov, sein Doktorand Bongsup Shim sowie Kollegen der Universität Jiangnan in China hatten 1,5 Millimeter dickes Baumwollgarn als Ausgangsbasis gewählt. Sie tauchten es in eine Lösung aus Kohlenstoff-Nanoröhrchen in Wasser und im zweiten Schritt in eine Lösung eines elektrisch leitenden Polymers in Äthanol. Nach einigen Wiederholungen der Tauchvorgänge war das Garn in der Lage, eine Batterie leitend mit einer roten Leuchtdiode zu verbinden. Die einzig optisch wahrnehmbare Veränderung war die Schwarzfärbung des Garns, so die Forscher.
Mit diesem nach wie vor weichen und flexiblen Garn lassen sich einzelne Zuleitungen zu Sensoren oder Rechenchips in "intelligenter Kleidung" einweben. Das umfasst Sportkleidung mit angeschlossenen MP3-Playern oder Mobiltelefonen ebenso wie medizinische Kleidung, die etwa den Herzschlag eins Patienten überwachen und Probleme an den Arzt melden kann. Doch ebenso lassen sich aus dem beschichteten Garn komplette Kleidungsstücke herstellen.
In einem zweiten Schritt zeigten Kotov und Kollegen, dass sich ihre Fasern auch für chemische, biologische und medizinische Sensoren eignen, da sich Antikörper und andere Proteine durch die chemische Struktur der Kohlenstoff-Nanoröhrchen problemlos daran anheften lassen: Sie fügten der Kohlenstoff-Lösung den menschlichen Antikörper Anti-Albumin hinzu. Dieses Protein reagiert mit Albumin, einem Bluteiweiß. Im Versuch reagierte dann auch die so behandelte Faser spezifisch auf menschliches Blut, indem sich ihre Leitfähigkeit deutlich erhöhte. Tierisches Blut hingegen führte zu keiner Veränderung.
Blut-erkennende Kleidung ist nicht nur eine für Soldaten interessante Anwendung, obwohl die US-Airforce und Navy das Forschungsprojekt mit finanzierten. Derartige Kleidung eignet sich auch für Risikoberufe wie Polizisten oder Feuerwehrleute, die sich im Einsatz gefährliche Wunden zuziehen können. Sind sie dann bewusstlos, könnte ein Signal ihrer "intelligenten" Kleidung über Funk die Wunde und den Standort vermelden.
Als weitere Einsatzfelder der leitenden Fasern bietet sich die medizinische Diagnostik und Überwachung von Risikopatienten an. Ebenso ist Umweltbeobachtung durch die Kleidung denkbar, indem etwa chemische Sensoren auf Feuchtigkeit, Schadstoffe oder Allergene reagieren. Und nicht zuletzt machbar ist die Stromleitung etwa zu integrierten Solarzellen, zu Stromgeneratoren, die aus der Bewegung der Menschen Energie gewinnen, oder zu Energiespeichern in der Kleidung.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2008/baumwolle-nanoroehrchen-intelligente-fasern/