Graphen: Wenn hauchdünne Schichten aus winzigen Kuppeln entstehen
Das Entstehen von Graphen-Schichten beginnt in einzelnen Inselchen - was neue Einsichten und Möglichkeiten für künftige Beschichtungen und Computerschaltkreise liefert
Triest (Italien)/London (Großbritannien) - Die einzigartigen und überraschenden Eigenschaften hauchdünner Graphen-Schichten versprechen viel Potenzial für künftige Nano-Elektronik, Sensoren und die Elektrochemie. Erst seit 2004 ist Graphen bekannt, es besteht aus einer einzigen Lage von Kohlenstoff-Atomen. Jetzt stellte ein italienisch-britisches Forscherteam fest, dass die Atome bei der Ablagerung zunächst winzige Inselchen bilden, die sich nach und nach erweitern und schließlich zur zusammenhängenden Fläche verbinden. Weil sich die Größe der Inseln und in eventuell auch ihre Leitfähigkeit gezielt steuern lassen, sind die denkbaren Einsatzmöglichkeiten für das Material quasi unendlich, erklären die Forscher im Fachblatt "Physical Review Letters". Wenn die dünnen Graphen-Schichten die heute üblichen Leiter in elektronischen Mikroschaltkreisen ersetzen, dürften künftige Rechenchips und elektronische Geräte deutlich energieeffizienter und kleiner werden.
"Das Verständnis des ungewöhnlichen Wachstumsmechanismus' dieser Kohlenstoff-Cluster, der eine Zwischenphase zwischen stark gekoppeltem karbidischem Kohlenstoff und einer quasi freistehenden Graphen-Lage darstellt, kann Informationen liefern für ein gezieltes Design Graphen-artiger Systeme im Nanobereich", schreibt das Team um Paolo Lacovig und Silvano Lizzit von der Synchrotronanlage in Triest. Gemeinsam mit Kollegen an der Universität Triest, am University College London und am Triester Laboratorio TASC INFM-CNR hatte Lacovig zwei Herstellungsmethoden für Graphen-Schichten näher untersucht. Während das allererste Graphen im Jahr 2004 als eine nur ein Atom dicke Schicht von einem Grafit-Kristall abgeschabt wurde, experimentieren Physiker heute an verschiedenen Depositmethoden, um auch größere Flächen zu produzieren: vom Zusammenlagern der Atome mithilfe einer Lösung bis zu chemischen Reaktionen.
Lacovigs und Lizzits Team deponierte seine Graphen-Schichten auf einer Iridium-Oberfläche. Zum einen nutzte es so genanntes Temperatur-programmiertes Wachstum, wobei Ethen-Moleküle (C2H4) in mehreren Stufen bis auf knapp 1000 Grad Celsius (1270 Kelvin) erhitzt werden. Das beeinflusst die Bindungsenergie innerhalb der Moleküle und führt dazu, dass sich der Kohlenstoff dem Iridum(111) zuwendet. Es bildeten sich zunächst kleine Inseln aus zusammengelagerten Kohlenstoffatomen, deren Bindung mit dem Iridium am Rand deutlich großer war als im Zentrum. Während die Inseln durch weitere Anlagerung wuchsen, lösten und entfernten sich die mittleren Atome von der Oberfläche, so dass winzige geodätische Kuppeln entstanden, die nur am Rand ans Iridium gebunden waren. Kontrollrechnungen bestätigten diese Entwicklung - als Funktion der Temperatur, bis hin zu sehr großen Kuppeln, die freistehenden Graphen-Flächen entsprachen. In einer zweiten Versuchsreihe arbeitete das Team mit Dampfablagerung, so genannter chemischer Gasphasenabscheidung, wobei das Substrat zwischen knapp 550 und 1000 Grad Celsius gehalten wurde. Hier wuchs das Graphen über sehr große Flächen, entsprechend der ersten Methode bei hoher Temperatur, mit ganz leicht unterschiedlichen Details in punkto Leitfähigkeit. Die Details der so entstandenen Schichten untersuchten die Forscher mithilfe hochauflösender Photoelektronspektroskopie.
Beide Herstellungsvarianten erzeugten - im Nanometermaßstab - großflächige Graphen-Schichten. Da chemische Gasphasenabscheidung auch im industriellen Maßstab verfügbar ist, verspricht die Methode makroskopisch große Graphen-Filme hoher Qualität für die Elektronikindustrie. Die Temperatur-programmierte Herstellung hingegen lässt Graphen in Nanometer großen Flecken entstehen, deren Durchmesser sich zwischen wenigen und einigen Hundert Nanometern über die Erwärmung steuern lässt. Die Forscher stellten überrascht fest, dass der Wasserstoff aus dem Ethen bei der Graphen-Bildung keine aktive Rolle zu spielen scheint. Entsprechend wollen sie nun dieses Detail und die katalytische Rolle des Iridiums näher untersuchen. Wenn sich Graphen-Inselchen erzeugen lassen, deren Bindungen mit Wasserstoff abschließen, statt sich an die Metalloberfläche zu binden, ließen sich so auch winzige flache Graphenschichten erzeugen. Möglicherweise lässt sich sogar Graphan herstellen - es enthält pro Kohlenstoffatom ein Wasserstoffatom und ist elektrisch isolierend. Damit würde dann die Herstellung kleinster elektronischer Schaltkreise ganz neue Möglichkeiten erreichen.
Wissenschaft aktuell
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2009/graphen-wenn-hauchduenne-schichten-aus-winzigen-kuppeln-entstehen/