Tetraeder: Dichter geht nicht?
Weltrekord beim Packen von Tetraedern lässt Quasikristalle entstehen - Anwendungen neuer Materialien in Aussicht
Kent (USA) - Dichter als je zuvor sind die Tetraeder gepackt, mit welchen US-Forscher einen neuen Weltrekord aufstellten: Die geometrischen Körper füllten dank eines neuen Packschemas 85,03 Prozent des Volumens. Der alte Rekord, erst im August 2009 an der Princeton University aufgestellt, lag bei 78,2 Prozent. Der Erfolg hat nicht nur theoretischen Nutzen. Auch entstanden durch die neue Methode so genannte Quasikristalle, schreiben die Forscher im Fachblatt "Nature". Die neuen Erkenntnisse könnten zur Produktion von Metamaterialien mit interessanten physikalischen und optischen Eigenschaften führen. Weitreichende Anwendungen seien denkbar, etwa in Computerchips, Textilien und Baustoffen oder für bessere Bildgebungsverfahren in Medizin und Materialforschung.
"Dies ist das erste Beispiel, dass Teilchen Quasikristalle bilden, ohne dass andere Interaktionen stattfinden als dass harte Objekte aufeinander stoßen. Die komplexeste Struktur, die wir je aus rein entropischen Wechselwirkungen haben entstehen sehen", erklärt Peter Palffy-Muhoray, Professor für chemische Physik an der Kent State University. "Entropie, die oft mit Unordnung und Chaos in Verbindung gebracht wird, kann in der Tat Ordnung erzeugen." Quasikristalle sind Strukturen, deren Details sich auf den ersten Blick wie Kristalle regelmäßig zu wiederholen scheinen, auf den zweiten Blick allerdings leichte Abweichungen zeigen. Palffy-Muhoray und Kollegen hatten untersuchen wollen, wie eng sich Tetraeder packen lassen, wenn man sie zusammenpresst - gemeinsam mit Materialforschern und Chemie-Ingenieuren der University of Michigan und der Case Western Reserve University.
"Es ist eine uralte Frage, wie man Körper am besten in ein Volumen packt - doch für das simple Tetraeder ist das Pack-Problem immer noch ungelöst ", sagt der Kent State-Forscher. Gleichseitige Tetraeder, dreiseitige Pyramiden mit vier identischen Flächen, gelten als die simpelst geformten regelmäßigen geometrischen Körper. Erst kürzlich habe man gezeigt, so die Forscher, dass auch Tetraeder - wie alle harten, konvexen Körper - einen Raum dichter füllen können als Kugeln. Für das Tetraeder-Packproblem hatten andere, frühere Arbeitsgruppen versucht, die geometrische Struktur zusammenzusetzen und dann zu komprimieren. Doch Palffy-Muhoray und Kollegen begannen mit einer zufälligen Anfangsstruktur und komprimierten diese, um eine natürliche Entwicklung zu hochdichten Zuständen zu erreichen.
Schon 2006 experimentierte das Team an der Kent State University erstmals mit Tetraeder-Würfeln. Die folgenden thermodynamischen Computersimulationen nach neuem Schema führten schließlich zur Packungsdichte von 85,03 Prozent. Sie zeigten, dass eine "Flüssigkeit" aus harten Tetraedern einen Phasenübergang erster Ordnung zu einem dodekagonalen Quasikristall erleben, während das System sich selbstständig in einen hochdichten Zustand entwickelt. Palffy-Muhoray ist begeistert: "Dies sticht hervor als eins der wunderschönsten Dinge, die wir entdeckt haben". Zudem sieht sein Team vielfältige Möglichkeiten für künftige Anwendungen. Metamaterialien, also künstliche, in der Natur nicht vorkommende Werkstoffe, mit ungewöhnlichen physikalischen und besonders optischen Eigenschaften würden denkbar. Mögliche Anwendungsbereiche erstreckten sich von Baustoffen und Textilien bis zu hochauflösenden Bildgebungsverfahren für die Mikroskopie in Materialforschung und Medizin.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2009/tetraeder-dichter-geht-nicht/