Optimal Wasser abschütteln wie ein Spinnenrücken
Besser als Teflon und künstliche Lotusblatt-Oberflächen lassen Materialien nach dem Vorbild unregelmäßig angeordneter Spinnenhaare Wassertropfen völlig abperlen
Gainesville (USA) - Manchmal wirkt Chaos doch besser als perfekte Ordnung: Der Haarpelz von Spinnen ist ein Durcheinander langer und kurzer Haare in ungeordneten Abständen zueinander - und vermutlich deshalb lässt er Wasser weit besser abperlen als hochgradig geordnete Oberflächen nach dem Vorbild von Lotusblättern. Das berichten Ingenieure, die solch unregelmäßige Haar-Konstrukte im Labor nachbauten. Überrascht stellten sie fest, dass kalte und auch heiße Wassertropfen darauf als perfekt runde Kügelchen herumtanzen. Auf anderen Oberflächen flachen sie ab oder ziehen zumindest einen winzigen Wasserschweif hinter sich her. Es ist die Form der Härchen und nicht das Material, die diesen Effekt bewirkt, schreiben die Forscher im aktuellen Heft des Fachblatts "Langmuir". Deshalb könnte man quasi sogar Schwämme beinah perfekt wasserabweisend machen. Einsatzbereiche auf Fensterglas oder Bootsrümpfen bis hin zur Lebensmittelverpackung sind denkbar. Allerdings sind bis zu einer Markteinführung noch Verbesserungen an der Haltbarkeit und Massenproduktionstechniken nötig. Spinnen ihrerseits nutzen den abweisenden Effekt, um sich vor dem Ertrinken zu schützen oder Luftblasen mit unter Wasser zu ziehen.
"Die meisten Forscher in diesem Bereich streben immer nach diesen perfekten Strukturen, und wir sind die ersten, die zeigen, dass die schlechten Strukturen die besseren sind", erklärt Wolfgang Sigmund, Professor für Materialforschung und Ingenieurwesen an der University of Florida. Sigmund hatte sich dem haarigen Thema vor fünf Jahren zugewandt, nachdem er an mikroskopisch kleinen Fasern geforscht hatte. Als Ingenieur hätte er standardmäßig auch zu gleichförmigen Fasern in gleichen Abständen gegriffen. Doch das sei die Theorie, die Realität aber finde man in der Natur: "Spinnen haben kurze Haare und längere Haare und die variieren sehr", so der Forscher. Gemeinsam mit Shu-Hau Hsu von der koreanischen Hanyang University versuchte er stattdessen, das chaotische Vorbild in Kunststoff zu kopieren, mit winzigen Härchen unterschiedlicher Länge, im Durchschnitt nur 600 Mikrometer (Millionstel Meter) lang. Dazu brachte das Team Polymer auf eine löchrige Membran auf, erhitzte beides und zog dann die Membran ab: Dabei bildete der halb geschmolzene Kunststoff lange dünne Fäden in zufälliger Länge und erstarrte.
Nahaufnahmen von Wassertropfen auf Sigmunds münzgroßen Plastikoberflächen zeigen, dass die Tropfen ihre Kugelform beibehalten - in Ruhe ebenso wie in Bewegung. Erstmals ziehen Tropfen auf dieser Oberfläche auch keinen dünnen Wasserschweif hinter sich her, was sogar auf bisherigen höchst wasserabweisenden Materialien geschieht. Da bei dieser Struktur die Physik und nicht die Chemie für den Abweise-Effekt sorgt, so Sigmund, seien auch Ängste vor schädlichen chemischen Beschichtungen kein Thema.
In weiteren, noch unveröffentlichten Experimenten konnten die Forscher denselben Effekt auch für Öl erzielen - ein Novum in diesem Bereich. Jetzt arbeiten sie daran, die kostengünstige Produktionstechnik zu optimieren, um Oberflächen aus unterschiedlichen Materialien einst auch in Massenproduktion herstellen zu können. Zudem sollen sie sich auch bei längerem Einsatz nicht abnutzen oder beschädigen lassen.
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Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2010/optimal-wasser-abschuetteln-wie-ein-spinnenruecken/