Elektrischer Widerstand: Elektronengerempel wie auf dem Weinachtsmarkt
Autor: Jens Kube, mit Material des MBI
Forscher am Max-Born-Institut in Berlin beobachteten die extrem schnelle Entwicklung des elektrischen Widerstandes in einem Halbleiter, indem sie die Bewegung der Elektronen in Echtzeit verfolgten.
Berlin – Elektrischer Widerstand entsteht dadurch, dass Elektronen sich im Leiter nicht frei bewegen können. Sie stoßen an den Atomen im Festkörper an und werden dadurch in ihrer Fortbewegung behindert. Solche Stöße beginnen bereits nach einer extrem kurzen Zeit nach dem Einschalten der Spannung, nach rund 100 Femtosekunden (10-13 Sekunden, ein Zehntel einer Billionstel Sekunde). Damit ist die Elektronenbewegung im Material wie eine Bewegung durch eine dichte Menschenmenge, nicht wie ein Lauf eine leere Straße entlang. Deshalb ist eine typische Elektronengeschwindigkeit nur 1 Meter pro Stunde, langsamer als eine Schnecke.
Die Stöße im Festkörper geschehen sehr schnell – aber eben nicht unendlich schnell. Das heißt, dass im Moment des Eischaltens eines Stromkreises der Widerstand für einen winzigen Moment etwas geringer ist als etwas später. Das ist genau, was Forscher am Max-Born-Institut in Berlin kürzlich getan haben und worüber sie in der aktuellen Ausgabe der Fachzeitschrift Physical Review Letters berichten. Anstelle eines „normalen“ Stromquelle benutzten die Wissenschaftler Extrem kurze Lichtpulse mit einer Frequenz im Terahertzbereich (1012 Hz, 1 Billion Schwingungen pro Sekunde), um optisch erzeugte freie Elektronen in einem Stück Galliumarsenid zu beschleunigen. Die so beschleunigten Elektronen erzeugen ihrerseits ein weiteres elektrisches Feld. Wenn man dieses Feld mit Femtosekunden-Zeitauflösung misst, kann man daraus genau erkennen, was die Elektronen tun. Die Forscher sahen, dass die Elektronen direkt nach dem Einschalten des elektrischen Feldes ungestört beschleunigt wurden, wohingegen sich der Einfluss der Stöße erst nach etwa 300 Femtosekunden bemerkbar machte.
Diese Experimente ermöglichten es den Forschern festzustellen, welche Art Stöße hauptsächlich für den elektrischen Widerstand verantwortlich ist. Interessanterweise fanden sie heraus, dass die wichtigsten Stoßpartner nicht atomare Schwingungen sind, sondern positiv geladene Teilchen, sogenannte Löcher. Ein Loch oder Defektelektron ist ein leerer Elektronenzustand im Valenzband des Halbleiters; es hat eine positive Ladung und eine etwa 6-mal so große Masse wie das Elektron. Die optische Anregung eines Halbleiters erzeugt gleichzeitig freie Elektronen und Löcher. Diese werden durch den Terahertz Puls, unsere Batterie, in entgegengesetzte Richtungen bewegt. Da die Löcher verglichen mit den Elektronen eine viel größere Masse haben, bewegen sie sich nur langsam, aber sie stehen den Elektronen im Weg, wodurch diese abgebremst werden.
Das so gewonnene Verständnis der Prozesse, die zu einer Abbremsung von Elektronen führen, könnte nach Angaben der Wissenschaftler zukünftig zu effizienterer und schnellerer Elektronik führen und vielleicht zu neuen Tricks, den elektrischen Widerstand zu verringern.
Welt der Physik CC by-nc-nd
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2011/elektrischer-widerstandelektronengerempel/