Neues Hydrogel ist extrem dehnbar und reißfest

Material lässt sich bis zum Zwanzigfachen seiner Länge dehnen und kehrt in seine Ursprungsform zurück.

Dirk Eidemüller

Cambridge (USA) – Hydrogele besitzen ein breites Anwendungspotenzial, etwa für weiche Kontaktlinsen. Ihre mechanische Belastbarkeit ist allerdings gering. Durch wechselseitige Verknüpfung zweier verschiedener Polymersorten konnten  Forscher nun ein hochgradig reißfestes Hydrogel erzeugen. Der Clou ihrer Entwicklung liegt darin, im Hydrogel ein doppeltes Netzwerk aus zwei unterschiedlich festen Materialien zu knüpfen, die sich gegenseitig verstärken. Wie die Forscher im Fachblatt „Nature“ berichten, kann das neue Hydrogel bis zum Zwanzigfachen seiner ursprünglichen Länge gedehnt werden und kehrt dann in seine Ausgangsform zurück.

Hydrogel zwischen zwei Klammervorrichtungen, im ersten Bild ist der Spalt mit Hydrogel sehr schmal, im zweiten ist das Gel auf das Vielfache seiner Länge gedehnt.

Hydrogel im Dehnversuch

„Tofu, Kontaktlinsen und Knorpelmasse sind allesamt Hydrogele. Kontaktlinsen sind zäher als Tofu, aber sehr viel weniger fest als Knorpel“, so Zhigang Suo von der Universität Harvard in den USA. Das neue Hydrogel ist gegenüber Beschädigungen extrem resistent, denn es besteht aus einer besonderen Kombination von Alginat und Polyacrylamid. Die Forscher führen die Zähigkeit ihres Gels auf das Zusammenspiel zweier Mechanismen zurück: Das primäre Netzwerk aus dem Polymer Polyacrylamid besitzt starke, kovalente Bindungen und ist mit dem sekundären Netzwerk aus Alginat verbunden, das ionische, kalziumbasierte Verbindungen eingeht. Diese Alginatverbindungen können sich wie ein Reißverschluss auftrennen und wieder zusammenfügen, heilen also quasi von selbst. Gleichzeitig verteilen sie auftretende Kräfte im Material, so dass die starken Bindungen des Polyacrylamids nicht punktuell aufreißen.

Einen weiteren Vorteil ihres Produkts sehen die Wissenschaftler darin, dass es einfach zu synthetisieren ist. Forschergruppen weltweit können deshalb ohne großen Aufwand mit diesem Material arbeiten. Die Erkenntnisse sind für Gewebeforscher interessant, denn robuste Hydrogele könnten neue medizinische Einsatzfelder eröffnen beim Ersatz oder der Verstärkung von beschädigten Knorpeln. „Beschädigte Knorpel können heute noch nicht ersetzt werden“, sagt Suo. „Man muss das ganze Knie durch Metall ersetzen.“

Hydrogele sind Lösungen von Polymeren in Wasser, wobei die Molekülketten der Polymere miteinander vernetzt sind, so dass das Material eine gewisse Stabilität erhält. Hydrogele bestehen aus bis zu 90 Prozent aus Wasser. Deshalb ist ihre mechanische Belastbarkeit üblicherweise gering. Sie werden heute deshalb dort eingesetzt, wo keine bedeutenden Kräfte auftreten, wie etwa bei der biotechnologischen Gewebebearbeitung oder als Arzneiträger. Die meisten Hydrogele sind spröde und anfällig gegenüber Rissen, vor allem an Kerben.

 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2012/neues-hydrogel-ist-extrem-dehnbar-und-reissfest/