Theorie erklärt Wasser mit Ecken

Ein neues Modell beschreibt, warum auf einer Oberfläche auseinanderströmendes Wasser eine vieleckige Form bilden kann.

Anna-Lotta Geyssel

Polygonaler hydraulischer Sprung mit acht Ecken, Bild: Erik A. Martens, APS

Trifft ein Wasserstrahl auf eine Oberfläche, fließt das Wasser vorerst zu allen Seiten schnell ab und bedeckt den Boden mit einem dünnen Film. Ab einem bestimmten Abstand vom Auftreffpunkt kann sich die Fließgeschwindigkeit aber plötzlich verringern und der Wasserpegel dadurch sprungartig ansteigen. Diesen Effekt nennen Wissenschaftler „hydraulischen Sprung“ – beobachten lässt er sich beispielsweise auch in der heimischen Küche, hier bildet er eine nahezu kreisrunde Form im Spülbecken. In Experimenten mit verschiedenen Flüssigkeiten haben Forscher sogar Vielecke mit bis zu 14 Ecken nachweisen können. Erik Martens vom Max-Planck-Instituts für Dynamik und Selbstorganisation und seine Kollegen haben nun erstmals ein umfangreiches Modell für dieses Strömungsphänomen entwickelt.

Entstehung eines hydraulischen Sprungs

Entstehung eines hydraulischen Sprungs

Bei einem kreisförmigen hydraulischen Sprung breitet sich die Flüssigkeit demnach zunächst mit einer sogenannten superkritischen Geschwindigkeit aus. Die Flüssigkeit bewegt sich dort schneller als sich Störungen in Form von Oberflächenwellen darauf ausbreiten können. Während kleine Störungen hier schnell ausklingen, machen sie sich hinter dem hydraulischen Sprung bemerkbar: Nach dem plötzlichen Anstieg des Flüssigkeitspegels verringert sich die Fließgeschwindigkeit. Dabei entsteht ein Wirbel, der den hydraulischen Sprung wie ein Ring umgibt. Erhöht man nun den Flüssigkeitspegel hinter dem Sprung,  bildet sich ein zweiter ringförmiger Wirbel über dem ersten. Dieser zweite Wirbel dreht sich in Gegenrichtung zum ersten Wirbel und gibt dem hydraulischen Sprung seine eckige Form, berichten die Wissenschaftler im Fachblatt „Physical Review E“.

Um dieses Verhalten zu erklären, vereinten die Forscher um Martens frühere Erklärungssätze. So war bereits bekannt, dass ein Wechselspiel zwischen der inneren Reibung, also der Viskosität, und dem hydraulischen Druck zu einem hydraulischen Sprung führt, nachdem sich der zweite Wirbel ausgebildet hat. Die Entstehung von Vielecken erklärt dieser Ansatz aber nicht. Deshalb berücksichtigte das Team in ihrem theoretischen Modell zusätzlich den Einfluss der Oberflächenspannung der Flüssigkeit. Danach können kleine Störungen in der Form des kreisförmigen Wirbels durch die Oberflächenspannung verstärkt werden und letztlich zur Ausbildung der Ecken führen. „Wir können damit die grundlegenden Mechanismen beschreiben, die zur Instabilität des kreisförmigen hydraulischen Sprungs und zur Ausprägung eines Vielecks führen“, erläutert Erik Martens. Allerdings stößt ihre Theorie auf Grenzen: An den Ecken eines Vielecks entspringen sehr starke Strömungen nach außen, die ihr Modell noch nicht beschreiben kann. 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2012/theorie-erklaert-wasser-mit-ecken/