Wie klein ist der kleinste Eiskristall?

Forscher blicken erstmals molekülgenau auf den Kristallisationsprozess von Wasser.

Magdalena Kersting

Eiskristall

Göttingen – Wissenschaftler um Christoph Pradzynski von der Universität Göttingen haben nun erstmals beobachtet, wie viele Wassermoleküle mindestens nötig sind, um einen Eiskristall zu bilden. Das eingesetzte Verfahren kann nicht nur Aufschluss über makroskopische Phänomene von Wasser, sondern auch neue Anstöße in der Erforschung kondensierter Materie geben, schreiben die Forscher in der Zeitschrift „Science“.

In drei Schritten ist die Strukturierung eines ungeordneteten Molekülclusters hin zu einem ringförmig angeordneten Kristall dargestellt.

Entstehung kristalliner Strukturen

Bislang konnten Wissenschaftler die kritische Molekülanzahl und damit den Punkt, an dem amorphe – also ungeordnete – Strukturen die ersten kristallinen Formen ausbilden, nur abschätzen. Die bisherigen Methoden hatten Größenuntersuchungen von Clustern im Bereich von hundert bis tausend Molekülen nicht erlaubt. Den Forschern ist es mit einem Trick nun gelungen, diese Grenze zu überschreiten, und damit in einen Größenbereich vorzustoßen, in dem sich elementare Prozesse kondensierter Materie – wie zum Beispiel Kristallisationsvorgänge – abspielen.

Die schrittweise Eiskristallation ist in einem dreidimensionalen Graphen veranschaulicht. Die Absorptionsmaxima der Cluster verschieben sich mit steigender Molekülzahl zu niedrigeren Wellenlängen.

Verschiebung des Absorptionsmaximums

Das Team bestrahlte dazu die Cluster mit einem Infrarotlaser. Hat das einfallende Licht die richtige Frequenz, werden die Wassermoleküle angeregt und absorbieren die entsprechenden Photonen – es entstehen charakteristische Absorptionslinien im Spektrum. Entscheidend ist nun die Tatsache, dass sich das Spektrum von amorphem und kristallinem Eis im infraroten Bereich deutlich unterscheidet. Der Übergang von dem ungeordneten in einen geordneten Zustand zeigt sich durch eine Verschiebung des beobachteten Absorptionsmaximums. So konnten die Wissenschaftler erstmals den Beginn der Kristallisation bei einer Anzahl von 275 Molekülen feststellen – bei 475 Molekülen war der Prozess der Kristallisation vollständig abgeschlossen. Zum Vergleich: Eine Schneeflocke, die man mit bloßem Auge sehen kann, enthält etwa eine Trillion (eine 1 mit 18 Nullen) Wasserteilchen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2012/wie-klein-ist-der-kleinste-eiskristall/