Elektronenpaare auch ohne Supraleitung

Quantenstruktur aus Strontiumtitanat zeigt ungewöhnliches Verhalten der negativen Ladungsträger.

Jan Oliver Löfken

Diffuses Muster aus hellen und dunklen Farben.

Supraleiter transportieren Strom ohne elektrischen Widerstand. Dafür machen Physiker gepaarte Elektronen verantwortlich, die auf ihrem Weg durch das Material keine Energie an das Kristallgitter abgeben. Forscher entdeckten nun jedoch, dass Elektronenpaare auch ohne Supraleitung existieren. Wie sie in der Fachzeitschrift „Nature“ berichten, eröffnen ihre Messungen neue Einblicke in das Verhalten von Elektronen bei tiefen Temperaturen.

„Wir haben einen neuen Zustand entdeckt, bei dem keine Supraleitung mehr vorliegt und die Elektronen dennoch als Paare auftreten“, sagt Guanglei Cheng vom Pittsburgh Quantum Institute. Für ihr Experiment wählte Cheng zusammen mit seinen Kollegen das kristalline Metalloxid Strontiumtitanat, das bei minus 273 Grad Celsius vom halbleitenden in den supraleitenden Zustand wechselt. Kombiniert mit einer millionstel Millimeter dünnen Schicht aus Lanthanaluminat fertigen sie einen sogenannten Ein-Elektron-Transistor auf der Basis eines supraleitenden Quantenpunkts. Quantenpunkte bestehen typischerweise aus tausend bis zehntausend Atomen eines Halbleiters, der in einen anderen eingebettet ist. Bei diesen geringen Strukturgrößen führen quantenmechanische Effekte zu neuartigen Eigenschaften.

Auf die Sprungtemperatur von minus 273 Grad Celsius gekühlt zeigten Messungen der elektrischen Leitfähigkeit, dass Strontiumtitanat wie erwartet supraleitend wurde. Die Messdaten bildeten die Grundlage für komplexe Spannungs-Stromstärke-Diagramme, aus denen ebenfalls auf die Paarung von Elektronen geschlossen werden konnte. Sowohl bei etwas erhöhten Temperaturen als auch unter dem Einfluss starker Magnetfelder brach die Supraleitung zusammen. Dennoch zeigten die Messdaten, dass sich die Elektronen weiterhin bevorzugt paarten.

Mit theoretischen Modellen versuchten Cheng und Kollegen, dieses ungewöhnliche Verhalten zu erklären. So könnten wahrscheinlich Polarisationseffekte im Kristallgitter von Strontiumtitanat die Voraussetzung für die Paarung der Elektronen geliefert haben. Genauere Analysen der Paarbildung etwa an anderen Supraleitern sollen diese Vermutung in Zukunft bestätigen. Sicher ist jedoch, dass die Paarbildung der Elektronen nicht mit dem Zusammenbruch der Supraleitung endet. Vielmehr bilden Elektronenpaare einen exotischen Zustand der negativen Ladungsträger, aus denen dann bei stärkerer Abkühlung oder ohne störende Magnetfelder die Supraleitung hervorgeht.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2015/elektronenpaare-auch-ohne-supraleitung/