Wie Muschelkleber unter Wasser funktionieren

Positive Ladungsbarrieren müssen überwunden werden, um feste Klebeverbindungen auf feuchten Kontaktflächen aufbauen zu können.

Jan Oliver Löfken

Steine ragen aus dem Meer und sind komplett von Muscheln bedeckt.

Trotz starken Wellenschlags haften Muscheln, Austern und Seepocken fest an Riffen oder Felsen am Ufer. Viele Forscher versuchen, diese Haftkraft auch auf synthetische Muschelkleber zu übertragen. Doch bei feuchten Oberflächen oder in Salzwasser versagen die bisher entwickelten Klebstoffe. Eine mögliche Lösung für dieses Problem fand nun ein Forscherteam. In der Fachzeitschrift „Science“ berichtet es, dass Muscheln eine nasse Felsoberfläche zuerst von störenden elektrischen Ladungen reinigen, bevor Haftproteine dann feste Bindungen eingehen können.

„Wasser verhindert eine Haftung auf polaren Oberflächen durch die Bildung von Hydrationsschichten“, schreiben Herbert Waite und seine Kollegen von der University of California in Santa Barbara. Diese zeichnen sich durch positive elektrische Ladungen auf nassen Gesteinen aus. In ihren Versuchen konnten die Forscher das Geheimnis entschlüsseln, wie Muscheln diese Barriere überwinden konnten. Ihre Analysen zeigten, dass die Klebeproteine der Meerestiere auch große Anteile an den Aminosäuren Lysin und Arginin enthielten. Diese trugen bevorzugt positive Partialladungen. Mit diesen ließ sich die Ladungsbarriere auf den Steinen über die Abstoßungskräfte zwischen gleichen Ladungen beseitigen.

Nachdem die Muscheln diese Barriere auf physikalischem Wege beseitigen konnten, gingen sie erstaunlich feste Bindungen zum Gestein ein. Dazu enthielten die Muschelproteine sogenannte Catechol-Gruppen, mit denen sich starke Adhäsionskräfte aufbauen ließen. Künstliche Muschelkleber bestehen aus Polymeren, die ebenfalls Catechol-Gruppen tragen. Doch funktionierten diese bisher nur an Luft und auf trockenen Oberflächen.

Die natürliche Methode zur Überwindung von Ladungsbarrieren könnte nun zu einer neuen Generation künstlicher Muschelkleber führen. Gelingt es, dass diese auch in feuchter, salzhaltiger Umgebung mit basischem pH-Wert feste Bindungen eingehen, würde das zur Entwicklung medizinischer Klebstoffe beitragen. Diese könnten dann Wunden oder Operationsschnitte schnell verschließen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2015/wie-muschelkleber-unter-wasser-funktionieren/