Warum Rasierklingen stumpf werden

Unter dem Elektronenmikroskop offenbarte sich Forschern, wie sich die Klingen während einer Rasur verändern.

Jan Oliver Löfken

Das Bild zeigt den experimentellen Aufbau mit einer Rasierklinge und eingespannten Haaren.

Gianluca Roscioli/Tasan Group/MIT

In modernen Nassrasierern stecken drei bis teilweise sogar sechs Klingen aus speziellem Stahl. Und obwohl dieser scharfe und extrem widerstandsfähige Stahl um ein Vielfaches härter ist als die Barthaare, stumpfen die Klingen schon nach wenigen Dutzend Rasuren ab. Die Ursache dafür suchten Materialforscher nun auf mikroskopischer Ebene. Ihre Experimente offenbarten mehrerer Faktoren, die gemeinsam die Klingen abstumpfen lassen. Dieser detaillierte Blick auf eine Rasur, den die Forscher in der Fachzeitschrift „Science“ präsentieren, könne in Zukunft etwas langlebigere Klingen ermöglichen.

„Um den komplexen Mechanismus zu verstehen, entwickelten wir einen Aufbau, mit dem sich der Zustand der Klingen unter dem Elektronenmikroskop beobachten ließ“, sagt Cemal Cem Tasan vom Massachusetts Institute of Technology in Cambridge. In diesen Aufbau spannte Tasan zusammen mit seinen Kollegen einzelne oder mehrere Haare ein, die die Forscher dann mit handelsüblichen Einwegrasierern kürzten. Nach bis zu 25 Rasuren waren die Klingen deutlich abgenutzt und wurden stumpf. Die Analyse ihrer Experimente offenbarte den Forschern drei wichtige Faktoren als Ursache für das Abstumpfen.

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Als wichtig stellte sich etwa der Schnittwinkel zwischen Klinge und Haar heraus. Wurde das Haar exakt horizontal geschnitten, veränderte sich die Klinge kaum. Unter flacheren Schnittwinkeln – die eher den realen Bedingungen entsprechen – nutzte die Klinge dagegen schneller ab. Denn bei einem schrägen Schnitt wirken größere und unregelmäßigere Kräfte. Als zweite Ursache identifizierten die Forscher kleine Fehlstellen an den Klingenkanten. Ausgehend von diesen Fehlstellen breiten sich während einer Rasur unerwünschte Mikrorisse entlang der Klinge aus. Und schließlich spielt die Position der Fehlstellen relativ zu den Barthaaren eine Rolle. So stumpfen die Klingen schneller ab, wenn bei einer Rasur die Fehlstelle auf den Rand eines Haares trifft – denn während eines Schnitts wirken dort die größten Kräfte.

Zusätzlich zu den Versuchsreihen simulierten die Forscher das Schnittverhalten der Klingen. Die Simulationen bestätigten die detaillierten Analysen mit dem Elektronenmikroskop. „Unsere Experimente zeigen, dass für das Abstumpfen alle drei Faktoren zusammenspielen müssen“, so Tasan. Darauf aufbauend empfiehlt der Materialforscher für langlebigere Klingen eine Optimierung des Klingenstahls. Denn der Schnittwinkel lässt sich nicht wesentlich beeinflussen. Wenn die Klingen – vor allem an der Schnittkante – homogener gefertigt wären und weniger Fehlstellen aufwiesen, würden sie auch nach deutlich mehr Rasuren scharf bleiben.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2020/warum-rasierklingen-stumpf-werden/