Asteroiden im Labor

In Drehung versetzte, schwebende Plastikkügelchen verhalten sich ähnlich wie rotierende Asteroiden.

Jan Oliver Löfken

eine Scheibe aus vielen kleinen Kügelchen schwebt vor dunklem Hintergrund.

Melody Lim et al., University of Chicago

In rotierenden Asteroiden wirken unterschiedliche Kräfte, die ihr Verhalten und ihre Form bestimmen. Während die Schwerkraft die Bestandteile der Asteroiden zusammenhält, treibt sie die Zentrifugalkraft auseinander. Das Wechselspiel zwischen diesen Kräften simulierte ein Forschungsteam nun in einem neuartigen Experiment mit schwebenden Plastikkügelchen. Wie sie in der Fachzeitschrift „Physical Review X“ berichten, konnten sie die Kügelchen mit Ultraschallwellen sowohl zum Schweben bringen, als auch ganze Ansammlungen der Kügelchen in Drehung versetzen.

Für ihr Experiment baute Melody Lim von der University of Chicago zusammen mit ihren Kollegen einen kleinen Kasten aus durchsichtigem Kunststoff. In diesem Kasten erzeugten sie mithilfe eines Generators Ultraschallwellen. Diese breiteten sich im Kasten aus und bildeten eine sogenannte stehende Ultraschallwelle aus, deren Auslenkung an bestimmten Stellen – den Amplitudenminima – verschwindet. Anschließend brachten die Forscher leichte, etwa 0,2 Millimeter kleine Plastikkügelchen in der Ultraschallwelle zum Schweben – ein Effekt, der als akustische Levitation bezeichnet wird. Da der Druck des Ultraschalls an der Stelle des Amplitudenminimums am geringsten ist, ordneten sich die Kügelchen exakt dort in einer Ebene an.

In den Experimenten von Lim und ihren Kollegen traten mehrere Effekte auf. Zum einen wurden die Ultraschallwellen an den Kügelchen reflektiert. Dadurch bildeten sich zwischen ihnen anziehende Kräfte aus, so dass sie sich in einem kreisrunden Areal zusammenlagerten. Mit kleinen Änderungen des Ultraschalls ließ sich dieses Areal außerdem in Rotation versetzen. Mit zunehmender Drehgeschwindigkeit nahm auch die wirkende Zentrifugalkraft zu. Somit hatten die Forscher das Zusammenspiel der Kräfte in rotierenden Asteroiden nachgestellt.

Nun beobachteten die Forscher, wie sich die Kügelchen in unterschiedlichen Szenarien verhielten. Das Ergebnis: Mit zunehmender Zentrifugalkraft verformte sich das zuvor kreisrunde Kugelareal erst zu einer Ellipse. Bei noch schnellerer Drehung wurde die Ellipse immer schmaler, bis sie sich sogar in zwei getrennte Kugelareale aufspaltete. Diese Versuche wiederholten die Forscher mit bis zu zweihundert Plastikkügelchen. Dabei beobachteten sie ein bisher nicht vollständig verstandenes Verhalten: Die getrennten Kugelareale konnten sich nach einiger Zeit wieder vereinigen. Je mehr Kügelchen in Rotation versetzt wurden, desto häufiger trat das Phänomen auf.

Auch Asteroiden zeigen ein ähnliches Verhalten: Sind die Zentrifugalkräfte groß genug, spalten sie sich in kleinere Fragmente auf. Doch je größer diese sind, desto stärker ist auch die anziehende Schwerkraft zwischen ihnen. Daher vereinigen sich einige von ihnen wieder. Mit ihrer Arbeit zeigen die Forscher das Potential von Levitationsexperimenten, um das Verhalten rotierender Asteroiden im Detail nachzustellen und zu untersuchen. In weiteren Versuchen wollen die Wissenschaftler nun Kügelchen verschiedener Größe, Formen und Materialien zum Schweben bringen und den Einfluss dieser Parameter exakt analysieren.

Melody Lim et al., University of Chicago

Mit zunehmender Zentrifugalkraft verformt sich das Kugelareal zu einer Ellipse. Bei noch schnellerer Drehung wird die Ellipse immer schmaler, bis sie sich in getrennte Kugelareale aufspaltet. Nach einiger Zeit vereinigen sich die Areale wieder.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2022/levitation-asteroiden-im-labor/