Ganz dünnes Eis

Erstmals haben Forschende Eisstrukturen an der Grenzfläche zu Flüssigkeiten exakt analysiert.

Jan Oliver Löfken

Verschiedenfarbige Eis am Stiel auf Eiswürfeln

dashu83/iStock

Wer ein Eis schleckt oder Schlittschuh läuft, bringt festes Eis in Kontakt mit einer Flüssigkeit – meist dem Wasser, das entsteht wenn das Eis schmilzt. Doch überraschenderweise wusste bislang niemand genau, welche Struktur Eis in unmittelbarer Nähe zu flüssigem Wasser annimmt: Das Eis schmilzt zu schnell, um die Kontaktfläche exakt zu beobachten. Doch nun gelang es einem Forschungsteam, hauchdünne Grenzflächen aus gefrierendem Wasser mit einem Rasterkraftmikroskop zu untersuchen – auch in Kontakt zu Flüssigkeiten. Wie ihre grundlegenden Versuche helfen können, die Eiskristalle an der Grenzfläche besser zu verstehen, stellen die Forschenden im Fachblatt „Journal of Chemical Physics“ vor.

Um das Eis untersuchen zu können, kühlte Ryo Yanagisawa von der Universität Kobe gemeinsam mit seinem Team einen Behälter mit einem Rasterkraftmikroskop darin auf etwa minus neun Grad Celsius ab. Als Probe tropften die Forschenden extrem reines Wasser auf einen flachen Träger. Mit kalten Schwaden, die aus flüssigem Stickstoff verdampften, kühlten sie die Wasserprobe bis unter den Gefrierpunkt ab. Dabei kristallisierte das Wasser zu hauchdünnen Eisschichten. Diese Schichten konnten die Forschenden mit der Spitze des Mikroskops abtasten und deren Struktur bis auf wenige Nanometer genau bestimmen.  

Diesen Gefrierprozess untersuchten die Forschenden nicht nur an der Luft, sondern auch in Kontakt mit Flüssigkeiten. Damit die umgebende Flüssigkeit nicht selbst gefror, verwendeten sie dafür Frostschutzmittel – genauer gesagt die Alkohole Butanol, Hexanol und Oktanol, die erst bei viel tieferen Temperaturen erstarren. Diese Alkohole kühlte das Team um Yanagisawa auf etwa minus zehn Grad Celsius vor und tropften sie auf die Eisfläche. Die Eisstruktur änderte sich im direkten Kontakt zu dem flüssigen Frostschutzmittel.

Harte, glatte Eisschicht

Vier Felder auf denen sich jeweils unterschiedliche Mikroskopaufnahmen zeigen, die unterschiedliche Strukturen zeigen.

Eisoberfläche auf verschiedenen Flüssigkeiten

Gefror das Wasser an der Luft, bildeten sich Eisschichten, aus denen etwa 20 Nanometer kleine Säulen herausragten. An der Grenzfläche zu den Alkoholen hingegen formten sich extrem glatte Wassereisschichten, die höchstens winzige Unebenheiten von der Dicke eines einzigen Wassermoleküls aufwiesen. Wahrscheinlich wurden die extrem flachen Kristalle im Kontakt mit dem flüssigen Alkohol teilweise flüssig und erstarrten dann wieder. Das dünne Eis war deutlich härter als bisher angenommen. Noch können die Forschenden diesen Unterschied nicht erklären, vermuten aber einen regelmäßigeren Aufbau der Eisschichten im Vergleich zu früheren Versuchen. 

Dieses grundlegende Experiment zeigt erstmals, wie hauchdünne Eisschichten an Grenzflächen zu Flüssigkeiten aufgebaut sind. Yanagisawa und sein Team wollen nun die Auflösung der Mikroskopbilder steigern, bis sie einzelne Moleküle beobachten können – so könnten sie besser verstehen, wie die unterschiedlichen Strukturen auf molekularer Ebene zustande kommen. Dazu planen sie, auch andere Arten von Mikroskopen zu nutzen. 

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2024/grenzflaechen-ganz-duennes-eis/