Flüssiges Wasser bei minus 46 Grad

Erstmals ist Röntgenstrukturuntersuchung von unterkühltem Wasser im „Niemandsland“ gelungen.

Anna Heise

Durchsichtige blau Kugel vor einem dunkelblauen Hintergrund. Neben einer kleineren Kugel links im Bild leuchtet ein heller, rosaner, kugelförmiger Lichtblitz.

Wasser zeigt viele Anomalien, die Forschern bis heute Rätsel aufgeben. Am wenigsten verstanden ist das Verhalten von flüssigem Wasser, wenn es ohne zu gefrieren unter den nominellen Gefrierpunkt gekühlt wird. Wissenschaftlern gelang nun die Beobachtung von sogenanntem unterkühlten Wassermolekülen bei einer Temperatur von minus 46 Grad Celsius. Diese Temperatur liegt in einem Bereich, über den es bislang noch keine Messdaten gab und der daher „Niemandsland“ genannt wird. Ihre Ergebnisse veröffentlichten sie in der Fachzeitschrift „Nature“.

Die grafische Darstellung besteht aus verschiedenfarbigen Bereichen. Das obere Viertel ist Dunkelblau das Viertel darunter Hellblau,  darunter liegt ein weißer Bereich, das unterste Viertel ist vertikal geteielt in einen gelben und einen orangenen Bereich.

Diagramm für Wasser bei niedrigen Temperaturen

Normalerweise gefriert Wasser am Gefrierpunkt bei 0 Grad Celsius. Verwendet man aber sehr reines Wasser, in dem es keine Teilchen gibt, die als Keime für die Kristallisation dienen können, bleibt es auch unterhalb des Gefrierpunktes flüssig. Im Niemandsland – zwischen minus 38 Grad Celsius und minus 115 Grad Celsius – ist unterkühltes Wasser nur für Sekundenbruchteile flüssig und gefriert dann plötzlich zu Eis. Was genau in diesem Bereich geschieht ist allerdings unklar. Eine der vielen möglichen Theorien beschreibt einen Phasenübergang: unterkühltes Wasser geht an einem bestimmten Punkt von einem Zustand mit hoher Dichte in einen niedriger Dichte über.

Um diese Theorie zu untermauern oder zu widerlegen verwendeten Jonas Sellberg vom Beschleunigerlaboratorium SLAC und seine Kollegen einen speziellen Injektor, der winzige Wassertröpfchen in eine Vakuumkammer schießt. Im Vakuum verdampft Wasser von der Tropfenoberfläche, und die Verdunstungskälte kühlt den übrigen Tropfen, ähnlich wie sich der menschliche Körper durch Schwitzen kühlt. Auf diese Tröpfchen schossen die Wissenschaftler ultrakurze Röntgenimpulse, die nur 50 Femtosekunden (eine Femtosekunde ist ein Billiardstel einer Sekunde) lang sind. Mit diesen Laserpulsen konnten sie die Temperatur kontrollieren und die Molekülstruktur analysieren.

In einem Bereich zwischen minus 44 und 46 Grad Celsius konnten die Forscher beobachten, wie die strukturelle Ordnung der Wassermoleküle immer schneller zunahm. Diese Daten unterstützen die Theorie eines Phasenübergangs im Niemandsland. Die Forscher hoffen allerdings noch deutlich kältere Temperaturen erreichen zu können und so das Verhalten von Wasser noch besser zu verstehen.

Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2014/superkaltes-wasser/