„Superzeitlupe für Plasmonenwirbel“
Jana Harlos
Plasmonen sind Dichteschwankungen von freien Elektronen in Festkörpern, die sich wellenartig auf deren Oberfläche ausbreiten. Die Form dieser Plasmonenwelle hängt dabei von der Struktur der Oberfläche ab – so lassen sich mithilfe einer eingeprägten Spiralstruktur etwa wirbelförmige Plasmonen erzeugen. Bereits 2007 gelangen Forschern die ersten Momentaufnahmen von sich ausbreitenden Plasmonenwellen, die Dynamik von Plasmonenwirbeln blieb bislang allerdings unbeobachtet. Nun konnten Physiker erstmals Filme solcher Wirbel in Superzeitlupe aufnehmen, wie sie nun im Fachjournal „Science“ berichten. Welt der Physik sprach mit Frank Meyer zu Heringdorf von der Universität Duisburg-Essen über die neue Studie.
Welt der Physik: Was sind Plasmonen?
Frank Meyer zu Heringdorf: Ein Plasmon – oder in diesem Fall präziser: ein Oberflächenplasmon – kann man sich wie eine Welle auf der Oberfläche eines Sees vorstellen, nachdem man einen Stein hineingeworfen hat. Anstatt Wasser nehmen wir nun Elektronen und anstatt des Steins einen Lichtpuls. Indem man kontrolliert, auf was für eine Struktur der Lichtstrahl trifft, kann man kontrollieren, wo eine Plasmonenwelle angeregt wird. In dieser Welle gibt es Bereiche mit mehr und Bereiche mit weniger Elektronen, die sich wellenartig im Elektronensystem ausbreiten. Diese Elektronendichteschwankungen sind quantisiert und das entsprechende Quant wird Plasmon beziehungsweise Oberflächenplasmon genannt.
Welche Form haben diese Dichteschwankungen?
Die Form der Plasmonen hängt von der Anregung ab. Dafür muss man zunächst eine Struktur auf der Oberfläche erzeugen, an der man ein Plasmon anregen möchte. Wenn ein Lichtstrahl auf diese eingeprägte Struktur trifft, können durch die Wechselwirkung Plasmonen angeregt werden. Das Plasmon übernimmt dabei die Form der Oberflächenstruktur. Wenn man einen Strich in eine Oberfläche einprägt, kann man sich das Plasmon wie eine ebene Wasserwelle vorstellen, die geradeaus läuft. In unserem Experiment haben wir Spiralstrukturen verwendet, um Plasmonenwirbel zu erzeugen.
Warum haben Sie sich für Spiralstrukturen entschieden?
Wir nehmen Spiralstrukturen, um den Plasmonen einen Bahndrehimpuls aufzuprägen. Trifft nämlich zirkular polarisiertes Licht auf die spiralförmige Struktur, wird ein rotierender Plasmonenwirbel erzeugt. Diese Drehung um die eigene Achse ist mit einem Bahndrehimpuls verbunden. Man nutzt den Eigendrehimpuls des Lichts – also zirkulare Polarisation – und übersetzt ihn durch diese Struktur in einen Bahndrehimpuls des Plasmons. Mit unterschiedlichen Spiralstrukturen auf der Oberfläche konnten wir im Experiment so Plasmonenwirbel mit unterschiedlichen Bahndrehimpulsen anregen.
Wie kann man sich das vorstellen?
Nehmen wir wieder Wasser als Beispiel. Wenn man einen Stein ins Wasser wirft, entsteht eine Kreiswelle, die nach außen läuft. Umgekehrt könnte man von außen eine kreisförmige Welle anregen und beobachten, wie sie in die Mitte läuft. Den Plasmonenwirbel kann man sich nun wie eine Welle vorstellen, die man außen als Spirale anregt. In der Mitte würde sich dann im Fall des Wassers ein Strudel bilden, in dem sich das Wasser spiralförmig nach unten bewegt.
Wie untersuchen Sie diese Plasmonenwirbel in Ihrem Experiment?
Zuerst braucht man eine geeignete Probe, in welche eine geeignete Spiralstruktur geritzt wird. Die Strukturdesigns und die Simulationen hierfür wurden von dem Erstautor der Studie, Grisha Spektor vom Technion – der Technischen Universität Israel – in Haifa entwickelt. Damit Plasmonen wie in unserer Arbeit angeregt werden können, wird zudem ein sehr dünner und idealerweise atomar ebener Goldfilm benötigt. Diese Filme wurden von einer Gruppe an der Universität Stuttgart erzeugt. Dann verwenden wir sehr kurze und intensive Laserpulse, die wir in je zwei identische Pulse aufteilen. Mit dem ersten Puls wird ein Plasmonenwirbel angeregt und mit dem zweiten Puls wird er abgefragt. Denn durch den zweiten Puls können Elektronen die Oberfläche verlassen und mit einem Elektronenmikroskop beobachtet werden. Auf diese Weise ließ sich zurückverfolgen, an welchen Stellen der Oberfläche Plasmonen präsent waren.
Wie lässt sich damit die Dynamik der Plasmonenwirbel beobachten?
Die Bewegung lässt sich verfolgen, indem man die Verzögerungszeit zwischen den beiden Laserpulsen variiert. Man regt ein Plasmon an und macht wenig später die erste Aufnahme mithilfe des zweiten Pulses und des Mikroskops. Dann folgt das nächste Bild – man regt dazu wieder ein Plasmon an und wartet mit dem zweiten Puls etwas länger als zuvor. Das wiederholt man mit unterschiedlichen Verzögerungszeiten und kann damit quasi einen Stop-Motion-Film erzeugen. Mit dieser Methode entstanden nun Filme, in denen die Bewegung von Plasmonenwirbeln über wenige Femtosekunden hinweg sichtbar wird. Dabei stellen wir den Prozess billiardenfach verlangsamt dar und bilden die Dynamik von Plasmonenwirbeln erstmalig in so einer hohen zeitlichen Auflösung ab. Wir haben diese Experimente an den Universitäten in Kaiserslautern und Duisburg-Essen parallel an unterschiedlichen Proben durchgeführt.
Was konnten Sie aus den neuen Aufnahmen ableiten?
Einerseits war es möglich, theoretische Berechnungen zur Dynamik eines Plasmonenwirbels zu überprüfen und zu bestätigen. Andererseits haben wir nachgewiesen, dass ein Laserpuls mit einer Wellenlänge von etwa 800 Nanometern auch Plasmonen anregen kann, die selbst nur eine Wellenlänge von etwa 180 Nanometern aufweisen. Mit unseren Laserpulsen können wir also Plasmonen anregen, deren Wellenlänge um ein Mehrfaches kleiner ist.
Zu welchen Anwendungen könnte das langfristig führen?
Damit ließen sich beispielsweise optische Anwendungen miniaturisieren, indem man Plasmonen statt Licht verwendet. Explizit für das Drehmoment des Plasmonenwirbels könnte man sich vorstellen, dass sich damit kleine Objekte kontrolliert drehen lassen. Aber das ist Zukunftsmusik.
Quelle: https://www.weltderphysik.de/gebiet/materie/nachrichten/2017/superzeitlupe-fuer-plasmonenwirbel/